Roter Mond
Benjamin Percy
ROTER MOND
RED MOON (2013)
Übersetzung: Michael Pfingstl
Penhaligon (2014)
Hardcover, 639 Seiten
Ich hätte nervös werden sollen, als auf dem Cover nur ein Werbesatz stand: „Hätte George Orwell sich eine Zukunft mit Werwölfen ausgemalt, dann wäre genau dieser Roman dabei herausgekommen.“ Autor dieses Waschzettellobes ist John Irving. Und dann der Klappentext vorne: „(…) ein Roman, der noch lange nach der Lektüre bei seinen Lesern bleiben wird.“
Beantworten wir gleich die beiden Sätze: Nein. George Orwell konnte eine Parabel erzählen (Percy nicht). Und sicherlich hätte er diesen Roman nicht geschrieben, wenn er eine Zukunft mit Werwölfen im Sinn gehabt hätte. Wahrscheinlich wäre Orwells nie-geschriebener Roman lesbar. Dieser hier ist es nicht. Und ob der Roman noch lange bei mir bleiben wird? Nein. Weder physisch noch psychisch.
Es fing lesbar an. Nicht gut, nur lesbar. Da gibt es Wesen neben uns Menschen, die sogenannten Lykaner (den Sprung zu en Werwölfen kriegt man schnell hin, aber sie heißen Lykaner – mein Wörterbuch verweist auf Lykianer als Einwohner Kleinasiens. Aber hier geht es (brav neudeutsch) um Werwolf-Wesen. Erstauftauchen: S. 23. Dann der Hinweis auf „die Republik“, wo die Lykaner leben: „Mit Gewehren und Klauen kämpfen die Lykaner dafür, dass die amerikanischen Truppen abziehen. Sie wollen ihr Land zurück.“ (S. 25) Dann gibt es einen Lykaneranteil am College (S. 29) und einen Lykaner-Anschlag auf drei Flugzeuge (S. 32).
Schluss. Eine Parabel, die gleichzeitig Islamisten (Anschlag auf das World Trade Center), „gender management“ (Quoten am College), den Vietnamkrieg (Abzug von US-Truppen), ein eigenes Land für eine Untergrundbewegung (Israel) mit Wesen mit sabbernden Lefzen in Verbindung bringt, und das alles als Fantasy verkauft in einem Gegenwartskostüm und schlechten Ideen – nein. Mit fast 600 ungelesenen Seiten (ich habe dann den Schluss gelesen) verworfen.
Die Pressemeldung las ich erst danach. Schlusssatz: „Benjamin Percys hochgelobter Roman ROTER MOND verwebt eindrucksvoll Elemente des Fantasy-Thrillers mit Aspekten einer politischen Parabel. Der Kampf und das Aufbegehren von Unterdrückten und die Angst vor dem Andern, dem Unbekannten, lassen sich auch fern der Fiktion für den Leser nachvollziehen.“ Nein.