Die Karte der Welt
Royce Buckingham
DIE KARTE DER WELT
O: ??? (kein Scherz)
Ü: Michael Pfingstl
Umschlag: Max Meinzold
Karten: Max Meinzold (???)
606 Seiten
Blanvalet
Echte Fantasy, eine echte Queste, ein Entwicklungsroman. Wow.
Ein von vorne bis hinten schön geschriebener Roman. Daran lässt sich überhaupt nichts rütteln. Der Hintergrund ist schnell erzählt: Die Welt wird am Rand von einem düsteren Schleier begrenzt, der dort in ferner Vorzeit erschaffen worden ist, um irgendetwas draußen zu halten. In der Gegenwart erinnert sich niemand mehr an die Hintergründe, und die Barriere ist einfach da. Langt ja auch. Und man hat sich damit arrangiert. Auf einmal gibt es einen gibt es einen jungen Schweinezüchter, der die Macht hat, mit seinen Bildern die Barriere zu verdrängen. Und es werden Dinge sichtbar, die … ach. Da gibt es die Düsterlinge, die durch den Rückzug der Dunkelheit befreit werden. Ein Mensch schwingt sich zu ihrem Anführer an, bringt ihnen die Segnungen der Zivilisation (Bogen, Rad, Steinspitzen für die Speere) – und macht sie damit zu einer ernstzunehmenden Streitmacht.
Die Schilderungen sind großartig:
„Ich werde nicht zulassen, dass Ihr bei lebendigem Leib gefressen werdet.“
„Ich auch nich‘, Junge“, erwiderte Poppy und hob das Schwert. Er legte den Kopf in den Nacken und rammte sich die Klinge mit einem grässlichen Geräusch in die Kehle, um Wex von der Verantwortung zu befreien, ihn beschützen zu müssen.
Und es gibt immer wieder überraschende Wendungen und Schilderungen:
Vill blieb genau dort stehen (…) und hob einen Stock mit einem Stück roten Stoff daran. (…) Er schwenkte die improvisierte Fahne, die das universell anerkannte Zeichen für Verhandlungsbereitschaft war.
Ohne zu viel zu verraten: Es gibt großartige Szenen, in denen sich Personen als eben deutlich weniger menschlich entpuppen, als man vermuten könnte. Es gibt das fahrende Volk, Halbmenschen, Zwerge … aber alles kommt so entspannt unaufdringlich – es gibt keine langen Genealogien, keine sinnlose Historie, sondern Einblicke in ein Leben.
Schön sind die im Buch eingestreuten Karten, sehr glaubhaft ist die Beschreibung der (unwillentlich gewirkten) Blutmagie. Die Karten zeigen immer mehr Land, umso mehr Land „befreit“ beziehungsweise entdeckt wird.
Ein paar Dinge sind eigenartig. Warum sind Soldaten nur Männer? Und warum haben sie trotzdem keine Schwierigkeiten damit, auf einmal eine junge Adelige im Lager (unter hanebüchenen Gründen) unterzubringen?
Was soll der Begriff der Satisfaktion bei einem anstehenden Zweikampf? Ist das nicht zu viel Modernität?
Wie kann in einer Landschaft, die sehr mitteleuropäisch wirkt, jemand den Spitznamen Mungo kriegen? Der Mungo ist ein afrikanisches Tier, das hier überhaupt nicht hinein passt. Und die Erwähnung von Palmen und der „warmen Meere“ beschreibt zwar Bereiche außerhalb der geschilderten Welt … aber das bringt Elemente einer Renaissance-Welt hinein, die hier eigentlich unpassend sind. Und dann gibt es noch das Gürteltier aus Amerika … und den Tabak. Aber egal. Das Buch funktioniert.
Am Ende wird alles gut, der Junge kommt nach Hause … Quatsch. Der Autor spielt mit unseren Erwartungen und erfüllt sie eben nur zum Teil. Die letzten 30 Seiten sind ein klarer Fall für „Ich verpasse fast meine richtige Station zum Aussteigen“. Das Ende ist das Ende eines abgeschlossenen Romans … und ich hoffe darauf, dass es dieses Mal keine Trilogie wird.
[Das Internet hilft weiter: Hier findet man nicht nur den Originaltitel MAPPER, welches das Buch verschweigt, sondern auch die Info, dass ein zweiter Band dieses Jahr erscheinen wird. Ich werde ihn ignorieren.]