Der Seelenfänger

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Chris Moriarty
DER SEELENFÄNGER
O: THE INQUISITOR’S APPRENTICE (2011)
Ü: Reinhard Tiffert
Cover: ZERO Werbeagentur
Hamburg, 2012
352 Seiten

Ein schön gemachtes Buch, ein netter Hardcover mit einem vernünftigen Preis-Umfang-Verhältnis. Dazu auch eine verdammt schöne Geschichte um den Nachwuchsermittler Sascha. Aus einer ärmlichen, jüdischen Familie stammend, die sich in New York ein neues Leben aufbauen will, gelangt er durch seine Fähigkeit, Magie „sehen“ zu können, an einen Job beim Inquisitor Wolf der New Yorker Polizei.
Es geht um die Versuche, magische Fähigkeiten durch mechanische Entwicklungen zu ersetzen. Es geht um einen Nachtkampf zwischen dem „Großkapital“ und den Menschen, die an Magie und Zauber glauben (stellvertretend hier Harry Houdini, der ohne Magie den Menschen etwas Zauberhaftes vorführen will). Wolf, der Arbeitgeber von Sascha und seiner aus einem sehr, sehr reichen Elternhaus stammenden „Mit-Auszubildenden“, bleibt eine geheimnisvolle Figur, die über eine eigene Agenda verfügt, die nicht genau zu durchschauen ist.
Die Schilderung von New York ist schön. Sowohl die jüdische Mythologie, die in Saschas Familie (und später auch im Fall) eine große Rolle spielt, als auch das Leben der Immigranten in der „neuen Welt“ wird überzeugen dargestellt. Die „Wort- und Sacherklärungen“ am Ende geben zu den Kapiteln Informationen über die Begriffe, besonders aus dem Jiddischen, die für das Verständnis des Romans hilfreich sind.

Und schon sind wir bei den zwei großen Problemen des Romans. Das eine ist, dass Moriarty ihre Figuren nicht in den Griff bekommt. Wolf könnte eine tolle Hommage an Nero Wolfe sein, den bekannten New Yorker Privatdetektiv. Ist es aber nicht. Wolf bleibt eine Figur, der man mehr zutraut, aus der aber auch nichts wird – das heißt: sie entwickelt sich im Roman nicht. Und ähnlich ergeht es allen anderen Figuren im Roman, die seltsam blass bleiben; nicht einmal der Held zieht aus der Konfrontation mit seinem „magischen Doppel“, dem Dibbuk, die Kraft, ein richtiger junger Mann zu werden. Er bleibt ein Kind oder (maximal) ein Heranwachsender.
Und die Welt, in welcher der Roman spielt, bleibt seltsam „unentschlossen“. Es gibt Teddy Roosevelt und damit spielt der Roman eigentlich vor dem ersten Weltkrieg … aus den Nachbemerkungen schließe ich sogar auf eine Handlung vor 1913. Aber die Hinweise auf Wicca als neuheidnische Hexenreligion und die Anspielungen auf das „House of Un-American Activies“ (wenn auch als Untersuchungskammer für eine Art „magische Gerichtsbarkeit“) lassen eher vermuten, dass der Roman nach dem zweiten Weltkrieg spielt … wo er handlungstechnisch eindeutig nicht hingehört.

Das alles bleibt in meiner Wertung ebenso zwiespältig. Ich habe den Roman „in einem Rutsch“ gelesen und sehr genossen. Aber ich habe keinerlei Interesse an einem zweiten Band oder weiteren Büchern der Autorin, fand aber die Unterhaltung bei drei Kaffee und vielen Keksen sehr anregend. Ich vermute einfach mal, dass ich als „Zielgruppe“ zu alt bin.
Wenn ihr Jugendliche daheim habt, die gerne lesen, dann schenkt ihnen dieses Buch. Wenn ich Bücher für Erwachsene sucht … dann lasst die Finger davon.