Die Festfibel

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Die Festfibel
Ein Ratgeber für alle Jahreszeiten
Zeesen, 2009

Formal besteht das 200 Seiten starke Buch, das sich auf dem Umschlag nur "Festfibel" bzw. auf dem Rücken "TSB 1" (wohl für "Thor Steinar Buch 1") nennt, aus mehreren Kapiteln, in denen der heidnische Jahreskreis beschrieben wird.
Es gibt keine Autorenangabe, nur das Vorwort hat die Unterschrift "Rainer Schmidt"[1], ansonsten stammt das Buch von "verschiedenen Autoren"[2]. Das Buch ist nicht über den Buchhandel erhältlich: "Es ist als Manuskript gedruckt und dient als Treuegabe für unsere Mitarbeiter und Stammkunden. Es ist unverkäuflich und dient nicht kommerziellen Zwecken. Bei Abgabe an Dritte wird lediglich eine Schutzgebühr erhoben."[3] Also muss man in einen Laden, wenn man das Buch erwerben will. Nun gut, damit kann man leben. Nach einer Einleitung, die unter anderen Literatur, Kalender und Neuheidentum abhandelt, folgen Kapitel über Sonne, Mond, Ostern, Hohe Maien, Sommersonnenwende, Schnitterfest, Erntedankfest, Totengedenken, Julfest/Weihnachten/Wintersonnenwende und Fastnacht/Karneval/Winteraustreibung samt einem "Schluß".
Das Ganze ist eher keltisch denn germanischheidnisch angehaucht, sehr üppig illustriert und eigentlich unterhaltsam zu lesen. Lustig sind die Untertitel der Bilder; Hinweise wie "Erzengel Michael, ist er auch der deutsche Michel? Eine nicht belegte These."[4] sind maximal unterhaltsam, aber eben ohne Beleg nutz- und sinnlos.
Autoren werden keine genannt; an Hinweisen auf Verlage und heidnische Autoren finden sich nur Geza von Nemenyi, Arun und der Kersken-Canbanz-Verlag.[5] Über von Nemenyi heißt es: "Ehemaliger Politiker der Partei »Die Grünen« und Autor von Büchern zum Thema Heidentum, Runen und Feste. Geza von Nemenyi ernannte sich selbst zum »Allsherjargoden«, dem obersten Priester des Altheidentums.“[6] Das im Text folgende von Nemenyi-Zitat ist dann ohne Quelle – nur mit "[s]o meint der Oberdruide"[7]kommentiert.
Verwiesen wird mehrmals im Buch auf Otto Rahn[8] – gut zu lesen, aber politisch nicht mein Ding; immerhin war Rahn im III. Reich Mitarbeiter im "Rasse- und Siedlungshauptamt" (Ru-SHA) der SS.

Das Buch ist in der "richtigen Schreibweise"[9], offensichtlich der (alten) Rechtschreibung, gehalten. Auch das kann man dem Verlag nicht verübeln; selbst der obligate Hinweis darauf, dass die weibliche Form immer mit gemeint sein könnte, fehlt – man verweigert sich also allen Regeln des "Establishments", was meiner Ansicht nach der Lesbarkeit nicht zugute kommt. Aber auch nach der alten Rechtschreibung ist "beweißt"[10] ein Schreibfehler …
Zitate sind oft Glückssache, so heißt der Elchspruch aus dem "moderne[n] Volksmund" nicht "Die größten Feinde der Elche waren früher selber welche“[11], sondern er ist von Bernstein und lautet "Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche"[12]. Und für "Bunt sind schon die Wälder" keinen Autoren zu benennen[13], wo man doch mit zehn Sekunden im Internet finden kann, dass es sich um das "Herbstlied" (1782) von Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis[14] handelt, ist Faulheit, sonst nix. Der "Child Herold"[15] von Heinrich Heine ist in Wirklichkeit der "Childe Harold"[16] und Quellenhinweise wie "Onlineausgabe, nicht mehr abrufbar" zu "Meyers Lexikon"[17] machen Quellenkritik sehr schwer.
Es ist auch nicht angegeben, welche Bibelausgabe zu Rate gezogen wird. Auf derselben Seite wird von "EU" und "LUT" gesprochen[18], aber ob damit wirklich die "Einheitsübersetzung" und die "Lutherbibel" gemeint sind, bleibt ungeklärt.
Einige Male scheint der fremdsprachliche Font nicht zu funktionieren, so dass der Teufel "von griechisch ÄeÜaieio"[19] abgeleitet wird und "bemalte Eier" auf ukrainisch "Ienaiee" heißen[20]. Wenn man sich schon bei einer Lektorin bedankt, die "das Schlimmste verhindern konnte"[21], dann darf man dem Leser nicht übel nehmen, dass er sich vor diesem Hintergrund schon fragt, was "das Schlimmste" denn nun gewesen wäre.
Oft sind die Texte ein wenig naiv: "Lange bevor sich die heute bekannten großen Religionen verbreiteten, lebten die Menschen in unseren Breitengraden im Rhythmus der Natur, wie es dieses Bauernlied beschreibt."[22] Das wird dann mit dem Liedtext von "Im Märzen der Bauer" dekoriert. Fragen wie "Und erkennen wir nicht auch in der Maske des Narrs den schalkhaften und listenreichen Loki, der Baldur tötete?"[23] müsste ich ehrlich mit "Nein" beantworten.

Politisch ist das Buch einige Male obskur – "Vielleicht eine Andeutung auf die kindsmordende Hexe, in der man die heute abtreibende Mutter sehen könnte?"[24] Da ist die Gesellschaft doch einen Schritt weiter, was (begründete) Abtreibungen betrifft.
Aber das Buch ist eben nicht erkennbar faschistisch oder rechtsradikal. Es ist schludrig lektoriert, die Quellen sind inkomplett, die Beiträge sind oberflächlich, dennoch aber nett zu lesen, die Schlussfolgerungen sind eigenartig und so weiter. Wenn nicht "Thor Steinar" drin stehen würde, hätte ich es mir nie gekauft … auch eine Art, Geld zu verdienen.

Wie heißt es im "Ausblick": "Was bleibt, ist das Bewußtsein, auf eine lange, kulturelle Entwicklung zurückblicken zu können und auf dieser Basis etwas Neues bauen zu können. Was, wie schon gesagt, jeder selbst tun kann. Ob dies dann tragfähig ist und bleibt, wird sich zeigen.“[25] Richtig. Das könnte aber unter jedem Buch über Religion, das Allgäu, Politik, Mythologie oder

Fahrzeugmechanik stehen.


  1. S. 10; online findet sich folgender Hinweis, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass "Rainer Schmidt" kein wirklich seltener Name ist: "Diesen Vorwurf lässt Thor Steinar an sich abprallen. Rainer Schmidt, Leiter des Rechtsbüros bei Mediatex, sagte stern.de: »Wir können unseren Kunden nicht in die Köpfe gucken, und es interessiert uns auch nicht.«" (http://www.stern.de/panorama/thor-steinar-versusstorch-heinar-rechter-angriff-auf-den-fuehrer-storch-1585270.html; 1.11.2010)
  2. S. 20
  3. S. 2
  4. S. 34
  5. S. 19; letzterer heißt wohl eigentlich Kersken-Canbaz, findet sich unter www.kc-verlag.de im Netz und vertreibt auf der Startseite von Nemenyis "Kommentar zu den Götterliedern der Edda" (21.11.2010).
  6. S. 172; der Text ist eine Kürzung des Textes des Wikipedia-Artikels (http://de.wikipedia.org/wiki/Germanische_Glaubens-Gemeinschaft_% 28G%C3%A9za_von_Nem%C3%A9nyi%29 [24.11.2010])
  7. S. 174
  8. S. 30, S. 104 und S. 181
  9. S. 20
  10. S. 166
  11. S. 104
  12. http://www.echolog.de/elchkritik/die_kritiker_der_elche.shtml (21.11.2010)
  13. S. 149
  14. http://ingeb.org/Lieder/buntsind.html (21.11.2010)
  15. S. 150
  16. http://www.staff.uni-mainz.de/pommeren/Gedichte/NeueGedichte/romanz03.htm (21.11.2010)
  17. S. 158
  18. S. 189
  19. S. 33
  20. S. 89
  21. S. 20
  22. S. 11
  23. S. 184
  24. S. 98
  25. S. 198