Norse Revival: Unterschied zwischen den Versionen

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von Schnurbein
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Norse Revival
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Transformations of Germanic Neopaganism
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Transformations of Germanic Neopaganism<br>
418 Seiten, Broschur
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418 Seiten, Broschur<br>
Studies in Critical Research on Religion, 2016
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Studies in Critical Research on Religion, 2016<br>
140.00 €
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140.00 €<br>
Von Hermann Ritter
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Dieses Buch wurde unter einer Creative-Commons-
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Dieses Buch wurde unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht, es ist u. a. unter http://booksandjournals.brillonline.com/content/books/9789004309517 kostenfrei erhältlich.<br>
Lizenz veröffentlicht, es ist u. a. unter
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http://booksandjournals.brillonline.com/content/
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Stefanie von Schnurbein hat einen langen Weg hinter sich – gegen, neben und mit den deutschen Anhängern des "Germanic Neopaganism". In den 90er Jahren waren ihre beiden Bücher "Religion als Kulturkritik – Neugermanisches Heidentum im 20. Jahrhundert" (1992) und "Göttertrost in Wendezeiten – Neugermanisches
books/9789004309517 kostenfrei erhältlich.
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Heidentum zwischen New Age und Rechtsradikalismus" (1993) Ohrfeigen in das
Stefanie von Schnurbein hat einen langen Weg
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Gesicht jedes Asatru, denn sie arbeitete sauber den inhaltlichen und personellen Zusammenhang zwischen Asatru und Rechtsradikalismus heraus. Leider waren ihre Erkenntnisse alle richtig – aber ihre Rundreise hatte nur eine Kurve, nämlich die rechte Kurve des Stadions besucht, in dem Anhänger der nordischen Götter sitzen.<br>
hinter sich – gegen, neben und mit den deutschen
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Umso schlimmer war es für das Heidentum der 90er Jahre, diese fundierte und nachvollziehbare Einschätzung lesen zu müssen, nach der sie selbst Deppen waren, die am Honig der rechten Verführer nuckelten – alles richtig, wenn man überlegt, wem die Untersuchung galt. Der Alleinvertretungsanspruch, den die Rechten damals wie heute vertraten, führte bei der Autorin zu einer nachvollziehbaren Fehleinschätzung.<br>
Anhängern des „Germanic Neopaganism“.
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Fast 20 Jahre später begab sie sich auf eine zweite Reise, dieses Mal auf der anderen Kurve des Stadions entlang. Sie hatte erkannt, dass sie damals eine geführte Reise mitgemacht hatte, bei der die Fremdenführer politische Extremisten
In den 90er Jahren waren ihre beiden
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waren. Also bat sie nun um eine Reiseleitung auf der anderen Seite.<br>
Bücher „Religion als Kulturkritik – Neugermanisches
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Eine der Gruppen, die sie – nach Rückfragen bei den amerikanischen Asatru – als Reiseziel identifizierte, war der "Eldaring". Sie geriet in Diskussion mit dem "Eldaring", seinen Mitgliedern und dessen Publikationen. Wir können stolz darauf sein, dass sie bereit war, ihre Thesen auf einer Ostara-Veranstaltung vorzutragen und zu verteidigen. Und ich fand es mutig und ein wenig überraschend, dass sie am Ostara-Ritual teilnahm – früh morgens, in bitterer Kälte.<br>
Heidentum im 20. Jahrhundert“ (1992)
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Die Reise hatte Erfolg, wie man an "Norse Revival" erkennen kann – und es ist erfreulich, dass das Ergebnis nicht nur für die nordischen Heiden besser ausfällt, sondern auch den "Eldaring" und seine Protagonisten immer wieder positiv erwähnt. Einmal geschieht dies dadurch, dass sich diverse Mitglieder für Interviews zur
und „Göttertrost in Wendezeiten – Neugermanisches
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Verfügung gestellt haben<ref>So Uwe Ehrenhöfer</ref>, sei es durch Korrespondenz<ref>So mit Kurt Oertel</ref> oder durch das Verwenden von Artikeln
Heidentum zwischen New Age und
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von Mitgliedern, z. B. aus der "Herdfeuer"<ref>Genannt werden als Autoren mit Artikeln in der "Herdfeuer" Alvisson, Behringer, GardenStone, A. Jahnke, Oertel, Ritter, Waggoner und Walthard.</ref>.<br>
Rechtsradikalismus“ (1993) Ohrfeigen in das
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Eine Anmerkung: Im Folgenden verwende ich "AS", um alle im Text gemeinten heidnischen Varianten benennen zu können. Die beiden Buchstaben können sowohl für "Asatru" als auch für "Alte Sitte" stehen.<ref>Zur Bedeutung und Herleitung des Begriffs "Asatru" vgl. S. 106</ref><br>
Gesicht jedes Asatru, denn sie arbeitete sauber
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Inhaltlich gliedert sich das Buch in 11 Kapitel.<br>
den inhaltlichen und personellen Zusammenhang
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In der "Introduction" gibt sie schon den großen Rahmen vor, in dem von Schnurbein die AS wahrnimmt:<br>
zwischen Asatru und Rechtsradikalismus
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''Worshipping deities such as Odin, Thor, and Freya, along with the rich world of Nordic myth promising to reconcile green-alternative, esoteric and seemingly non-exploitive, anti-imperialist ideas – all of this vaguely reverberated with the popular Romanticism surrounding American Indian spirituality and Tolkinian worlds.''<ref>S. 1</ref><br>
heraus. Leider waren ihre Erkenntnisse alle richtig
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Kapitel 1 – "Creating the Paradigm: Historical Preconditions of Modern Asatru" – beschreibt die Geschichte des modernen Asatru, beginnend mit Herder und den Brüdern Grimm, endend mit der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg und "Witchcraft and the Celtic Revival"<ref>S. 51</ref>.<br>
– aber ihre Rundreise hatte nur eine Kurve,
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Von Schnurbeins Darstellung der Geschichte der AS nach dem 2. Weltkrieg im zweiten
nämlich die rechte Kurve des Stadions besucht,
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Kapitel ("Creating a Religion: The Emergence and Development of Late Twentieth Century Asatru") kommt nicht umhin, die braunen Gespenster noch einmal klar zu benennen. Die Entwicklung ab 1990 – an den Beispielen Norwegen, Schweden, Dänemark, Island, Großbritannien, USA bis Deutschland – ist aber mehr und mehr frei von Zusammenhängen zur rechten Szene. Kalte Schauer laufen mir trotzdem über den Rücken, wenn ich lese, wie sie von außen das "Ariosophieprojekt" des "Rabenclan" wahrgenommen hat – mich daran erinnernd, wie diese an McCarthy gemahnenden Jagden auf (angebliche) Rechtsradikale innerhalb des Heidentums für Ärger gesorgt haben.<br>
in dem Anhänger der nordischen Götter sitzen.
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Irgendwann taucht der "Eldaring" auf der Bildfläche auf:<br>
Umso schlimmer war es für das Heidentum der
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''The largest and youngest of the new Asatru groups in Germany, the a-racist ''Eldaring'' (…) differs from both ''Nornirs Ætt'' and the ''VfgH'' in its conception of itself as not a tight-knit religious community, but as a contact and service platform – a network for Asatruers who perceive of their faith as a personal and private matter.''<ref>S. 76</ref><br>
90er Jahre, diese fundierte und nachvollziehbare
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"Believing and Doing" ist der Titel des dritten Kapitels.<br>
Einschätzung lesen zu müssen, nach der sie
+
Für einige ihrer Thesen zu Mitgliedern von AS-Gruppen fehlt mir die Faktenbasis – ein typisches Mitglied sei zwischen 30 und 60 und hätte eine religiöse Suche hinter sich, früher wären weniger Frauen in den Gruppen drin gewesen, aber langsam steige ihr Anteil.<ref>Vgl. S. 88 f.</ref> Das trifft auf zu viele Gruppen zu, nicht nur auf AS, sondern in meiner Wahrnehmung ebenso auf LARPer, Rollenspieler etc. Ich halte dies eher für ein gesamtgesellschaftliches Phänomen bei allem, was
selbst Deppen waren, die am Honig der rechten
+
"geek" oder "nerd" ist, nicht für eine prinzipielle AS-Erscheinung.<br>
Verführer nuckelten – alles richtig, wenn man
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Von Schnurbein stellt die Grundlagen des Glaubens dar, u. a. mit einem Exkurs über die Verehrung von Loki und die daraus auftretenden Probleme innerhalb des Glaubens. Schön ist, dass sie auch eigenartige Quellen wahrnimmt, so die Übernahme des Konzepts für "fulltrui" aus einer Fantasy-Trilogie<ref>Vgl. S. 97, Fußnote 29</ref>. Sie schildert einen Ritualaufbau und -ablauf, erklärt Begriffe wie Sumbel und zeigt die Verbindungen zwischen AS und Wicca auf.<ref>Vgl. S. 111</ref><br>
überlegt, wem die Untersuchung galt. Der Alleinvertretungsanspruch,
+
Die (Nicht-)Diskussionen um Geza von Nemenyi spielen sich konsequent in Fußnoten ab, was eine gewisse humoristische Lesart erlaubt.<ref>Vgl. S. 113, Fußnote 98</ref><br>
den die Rechten damals
+
Kapitel 4 behandelt mit "Contested Fields I: Race and Ethnicity" Minenfelder der heidnischen Diskussion. Von Schnurbein ist sich in diesem Kapitel wie sonst nirgends klar darüber, dass ihre ersten Werke in AS als "generalizing condemnation
wie heute vertraten, führte bei der Autorin
+
of Asatru" wahrgenommen wurden.<ref>S. 123, Fußnote 3</ref><br>
zu einer nachvollziehbaren Fehleinschätzung.
+
Gefreut hat mich, dass sie den Zugang zu mindestens einer "all-embracing occult conspiracy" auch in Pauwels & Bergiers "The Morning of the Magicians" sieht<ref>S. 125; zu Fußnote 9, vgl. Ritter et al. "Heute die Welt – morgen das ganze Universum"</ref>.<br>
Fast 20 Jahre später begab sie sich auf eine
+
Insgesamt gelingt es der Autorin, eine differenzierte Sicht zu bewahren, so auch in folgendem Zitat:<br>
zweite Reise, dieses Mal auf der anderen Kurve
+
''Differing attitudes regarding the role of genetics, heritage and ancestry cannot be dichotomized easily; rather, they structure a diverse and frequently contradictory spectrum of positions within and beyond Asatru.''<ref>S. 129</ref><br>
des Stadions entlang. Sie hatte erkannt, dass sie
+
Dieses Spannungsfeld sieht sie (richtig) im Bereich "racial paradigms"<ref>S. 144</ref> und dem Versuch, eine Religion neu oder wieder zu konstruieren. Hier spiegeln sich die Diskussionen wieder, die in den letzten Jahren im AS geführt wurden. Gibt es genetische Disposition für eine Religion, so etwas wie eine Rassenbindung an einen Glauben? Muss man Europäer sein, um AS zu sein? Und natürlich sind die aufgezeigten (neo-)romantischen Einflüsse noch da. Wir sind in
damals eine geführte Reise mitgemacht hatte,
+
vielen Aspekten Nachfahren der Romantiker, wobei wir meiner Ansicht nach leider viel zu oft deren positive Impulse ignorieren.<br>
bei der die Fremdenführer politische Extremisten
+
Im zweiten Teil der Problembeschreibung (Kapitel 5: "Contested Fields II: Concepts of Religion and Anti-Monotheism") geht es um das Verhältnis gegenüber dem Christentum, Antisemitismus, Polytheismus und das grundsätzliche Verhältnis zum Monotheismus. Alle ihre Darstellungen sind richtig, besonders interessant sind ihre Überlegungen zur Wahrnehmung von AS als Erfahrungsreligion.<br>
waren. Also bat sie nun um eine Reiseleitung
+
Am Ende des Kapitels konstatiert sie:<br>
auf der anderen Seite.
+
''We can thus identify two means of culturalizing religion and sacralizing culture in Asatru: an anti-modern one, which rejects enlightenment and secularism as ultimately foreign (and Jewish-Christian) and propagates an ethno-pluralist model of different and separate rooted cultures and tribal religions; and a secularist one, which associates itself with modernity and projects its values and ideals onto a deep past.''<ref>S. 179</ref><br>
Eine der Gruppen, die sie – nach Rückfragen
+
In "Asatru – A Religion of Nature?" (Kapitel 6) geht es um die romantische Vorstellung einer Bindung an die Natur, Naturspiritualität und den Naturschutz (sowie seine Verbindungen an den rechten Rand). Von Schnurbein beschreibt die Traditionslinien vom III. Reich in die Gegenwart, benennt Menschen, Institutionen, Zeitschriften. Schön finde ich, dass sie Quellen wie das Buch "Walden" von Henry David Thoreau erkannt hat. Gerade das ist der Verdienst solcher Kapitel das Herausarbeiten von Minuskeln, damit die Stationen auf dem Weg, der uns hierhergeführt hat, nicht vergessen werden.<br>
bei den amerikanischen Asatru – als Reiseziel
+
"Gender and Sexuality" (Kapitel 7) ist ein Thema, das ich – außerhalb des Bereichs der Gleichberechtigung und einigen halbherzigen Diskussionen zum Thema Homosexualität in AS – eigentlich eher im historischen Rahmen verorte. Auch von Schnurbein wählt einen historischen Zugang durch das Thema der Rolle der germanischen Frau. Selbst wenn ich das Gefühl habe, dass die Frauenrolle in der Spiritualität ein Thema der 80er Jahre war (die üblichen Namen werden in diesem Kontext erwähnt: Budapest, Paxson etc.), so lesen sich die Passagen in ihrem Buch interessant. Von Schnurbein schafft die Kurve, indem sie auf die Einflüsse von weiblicher Spiritualität auf AS hinweist:<br>
identifizierte, war der „Eldaring“. Sie geriet in
+
''Consequently, adoptions of individual elements of women-centered spirituality can be found in most Asatru groups today.''<ref>S. 227</ref><br>
Diskussion mit dem „Eldaring“, seinen Mitgliedern
+
Erst später geht es um Männlichkeit, Männerbünde und Geschlechterrollen. Auch hier gilt, dass ich – eindeutig links sozialisiert – hier Diskussionen und  Beweisführungen erneut lese, die ich aus den 80er-Jahren kenne. Interessant ist, wenn diese Diskussionen an AS-Themen wie Mannwerdung festgemacht werden. Konservative Geschlechterrollen werden in Ritualen immer wieder reproduziert von außen betrachtet hat von Schnurbein damit völlig recht und sicherlich ist die Geschlechterrolle ein Thema, das AS weiterhin diskutieren muss.<br>
und dessen Publikationen. Wir können
+
Gut ist, dass von Schnurbein den klaren Standpunkt von "Eldaring" und anderen Vereinen zur Homosexualität wahrnimmt.<ref>S. 246, Fußnote 130</ref> Man merkt aber durch die Lektüre, welchen langen Weg AS gehen musste, um zu einer solchen klaren, geschlossenen Aussage zu kommen.<br>
stolz darauf sein, dass sie bereit war, ihre Thesen
+
Das Thema von Kapitel 8 "Asatru – An Academic Religion?" stellt natürlich eine Frage, die viele praktizierende AS auf die sprichwörtliche Palme treiben dürfte. In der Einführung zu dem Kapitel schreibt von Schnurbein:<br>
auf einer Ostara-Veranstaltung vorzutragen und
+
''The relation between Germanic Neopaganism and academia is highly ambiguous. While knowledge of primary sources as well as academic theory plays a foundational role for a-racist and many ethnicist Asatruers, the majority of these Heathens have little first-hand knowledge of those sources (…). Their knowledge comes mostly from fictional literature, Neopagan popular interpretations, and other popularized accounts of Norse mythology, as well as from Internet sources.''<ref>S. 251</ref><br>
zu verteidigen. Und ich fand es mutig und ein
+
Es geht um den Umgang mit Quellen, die prinzipielle Rolle der "Edda" und die Geschichte des akademischen und nicht-akademischen Umgangs mit den Quellen. Gerade die Autoren aus der zweiten Hälfte des 19. und ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben hier sehr eigenartige Fundamente gelegt. Sei es Herman Wirth mit seinem "Der Aufgang der Menschheit" und seiner Würdigung der "Ura-Linda-Chronik" als ernst zu nehmender historischer Quelle<ref>Vgl. S. 267</ref>, sei es Wilhelm Teudt mit seinen Deutungen zu den Externsteinen und der Irminsul<ref>Vgl. S. 268 f.</ref> – all das hat natürlich die Arbeit mit den Quellen schwerer gemacht, das Wasser im sprichwörtlichen Sinne vergiftet. Und leider gibt es heute noch Menschen, die diesen oder ähnlichen Theorien aufsitzen, bis in die Gegenwart hinein. Auch dies ist ein Punkt, an dem von Schnurbein das Weiterleben von einzelnen "eigenartigen" Vorstellungen bis in die Gegenwart hinein sauber nachvollzieht. Aber sie sieht auch, dass es in den letzten Jahren eine klärende Entwicklung gegeben hat:<br>
wenig überraschend, dass sie am Ostara-Ritual
+
''This pride [des "Eldaring", HR] in an active engagement with the study of sources and relevant scholarship is shared by other German groups (…) and is foundational for their group identities.''<ref>S. 191</ref><br>
teilnahm – früh morgens, in bitterer Kälte.
+
Sie beendet das Kapitel mit dem Hinweis, dass sie abschließend die Verbindungen zwischen Ästhetik, Religion und Politik betrachten will, welche die Wahrnehmung der germanischen Mythen bestimmen.<br>
Die Reise hatte Erfolg, wie man an „Norse
+
Kapitel 9 "Germanic Neopaganism – A Nordic Art-Religion?" versucht, diesen Zusammenhang herauszuarbeiten. Die Eingangssätze legen einen breiten Rahmen fest:<br>
Revival“ erkennen kann – und es ist erfreulich,
+
'' Aesthetic imaginaries in stories, paintings, film, and music, ranging from Wagnerian opera to contemporary black metal, Viking metal, Pagan metal, and neofolk music have had a strong impact on Asatru as well as on popular images of
dass das Ergebnis nicht nur für die nordischen
+
Nordic myth and religion.''<ref>S. 298</ref><br>
Heiden besser ausfällt, sondern auch den „Eldaring“
+
Über Herder und Wagner führt der Weg bis zu Tolkien. Der Kritik, dass Tolkiens Werk "has been largely ignored by academic literary criticism"<ref>S. 309, Fußnote 41</ref> kann ich nicht folgen; so ist ein Hinweis auf die englischen Inklings vorhanden<ref>S. 309, Fußnote 42</ref>, während die Existenz einer deutschsprachigen Organisation gleichen Namens, die sich mit Tolkien beschäftigt, von Schnurbein entgangen ist. Ich möchte auf die Ausführungen zu Tolkien nicht länger eingehen – in den letzten Jahren wurde immer offensichtlicher, wie wichtig Tolkien und seine Rezeption für die Entwicklung des AS waren (und sind).<br>
und seine Protagonisten immer wieder
+
Interessanter sind dann ihre Ausführungen über Entwicklungen wie das "Harzer Bergtheater", bei dem im Stil des Volkstheaters in einem Ansatz als Reformbühne Gesinnung und Bildung miteinander verbunden wurden, um mit den Mitteln des Theaters "Gesinnungskunst" zu verbreiten.<br>
positiv erwähnt. Einmal geschieht dies dadurch,
+
Von Schnurbein macht dann inhaltlich einen Schlenker zurück zu Tolkien im Unterkapitel "Heirs of Wagner and Tolkien: Asatru Novelists". Richtig schreibt sie:<br>
dass sich diverse Mitglieder für Interviews zur
+
''By now, the market for fantasy and historical literature with "Germanic" or "Nordic" themes has expanded to an extent that makes it almost impossible to keep an overview of the relevant works and authors. (…) Four novelistic sub-genres stand out here: historical fantasy, alternate history, historical novels about national icons, and urban fantasy.''<ref>S. 324 f.</ref><br>
Verfügung gestellt haben1, sei es durch Korrespondenz2
+
Die große Rundreise beginnt mit Marion Zimmer Bradley und Diana L. Paxson sowie Stephan Grundy als Vertreter der historischen Fantasy. Für die "alternate history" wird die Trilogie von Harry Harrison und John Holm (= Tom Shippey) zitiert. Bei den "historical novels" greift ihre eigene Definition nicht, wenn sie zum Thema
oder durch das Verwenden von Artikeln
+
als Filme "Conan the Barbarian" und "The Thirteenth Warrior" zitiert.<ref>S. 330, Fußnote 125</ref> Meiner Ansicht nach speist sich "Conan" mit seiner ganzen Welt
von Mitgliedern, z. B. aus der „Herdfeuer“3.
+
aus einer Menge Quellen, bei der die nordischen Einflüsse hinter keltischen zurückstehen. Und beide Filme sind maximal pseudo-historisch, weil sie nicht versuchen, den Anschein zu erwecken, sie könnten historische Ereignisse wiedergeben. An Büchern nennt sie zu diesem Thema die Deutsche Iris Kammerer, im internationalen Rahmen u. a. Tor Åge Bringsværd. Der Bereich "urban fantasy" findet nicht statt – hier wären eine Begriffsklärung und ein paar Beispiele sinnvoll gewesen.<br>
 
+
"Dark Heirs of Wagner and Tolkien: Metal and Neofolk" heißt das nächste Unterkapitel. Bei Musik zeigt sich noch stärker als bei der Literatur, dass der eigene Musikgeschmack (zumindest meiner) eine objektive Betrachtung unmöglich macht. Sprich: Da bin ich inhaltlich raus.<br>
Eine Anmerkung: Im Folgenden verwende
+
Abschließend versucht von Schnurbein eine Zusammenfassung des Kapitels:<br>
ich „AS“, um alle im Text gemeinten heidnischen
+
''The results of this last chapter on Nordic art-religion raise broader questions about the relation between ideas about Nordic or Germanic myth, literary and aesthetic movements, contemporary spirituality, and their shifting political functions. From this perspective, art-religion can indeed serve as a useful, all-encompassing paradigm for understanding Germanic Neopaganism and its ambiguous location in modern societies.''<ref>S. 350</ref><br>
Varianten benennen zu können. Die beiden
+
Ja, könnte… Aber meiner Ansicht nach müssten die Fragen noch einmal auf breiterer Basis (für mich hieße das: unter Betrachtung von möglichst vielen Aspekten der modernen Fantasy) versucht werden, um zu einem nachvollziehbaren Ergebnis zu kommen.<br>
Buchstaben können sowohl für „Asatru“ als
+
"Instead of a Conclusion" beendet als Kapitel 10 das Buch. Hier schließt von Schnurbein den Bogen – ihre erste Reise begann mit einem Ostara-Thing des Armanen-Ordens, und über 20 Jahre später ist sie 2010 auf einer Ostara-Veranstaltung des "Eldaring" zu Gast und stellt sich einer Diskussion über ihre Thesen. Über diese
auch für „Alte Sitte“ stehen.4
+
Erfahrung schreibt sie:<br>
Inhaltlich gliedert sich das Buch in 11 Kapitel.
+
''But I am impressed by my audience’s openness and willingness to reflect on their own positions.''<ref>S. 351</ref><br>
In der „Introduction“ gibt sie schon den großen
+
Und:<br>
Rahmen vor, in dem von Schnurbein die AS
+
''There is an increased openness and friendliness, and the defensiveness is less aggravated, at least in this and other a-racist groups. They seem to cherish their friendships and their community more than they need to insist on their status as ostracized outsiders.''<ref>Ebenda</ref><br>
wahrnimmt:
+
Sie erkennt auch, dass es im Rückblick möglich ist, ihre ersten Bücher als Impuls zu begreifen, sich als AS mit unbequemen Themen zu beschäftigen. Mit dieser Einschätzung hat sie Recht. Ihre Werke waren in den 90er Jahren wichtig und richtig, wenn auch unbequem. Das gilt auch für "Norse Revival". Das Buch ist weniger unbequem für uns, das stimmt. Aber das liegt daran, dass wir in den letzten 30 Jahren aus ihren ersten Büchern etwas gelernt haben. Dafür gebührt ihr unser Dank.<br>
Worshipping deities such as Odin, Thor, and
+
Das Buch endet sehr persönlich. Denn wie bei jeder guten Untersuchung von Gottheiten und Glauben verändert sich der Untersuchende im Prozess mit. Und obwohl von Schnurbein nach dem "Norse Revival" gesucht hat, so hat sie auch Antworten auf Fragen gefunden, die sie (offen) nie gestellt hat.<br>
Freya, along with the rich world of Nordic myth
+
Man sollte dieses Buch lesen. Gerade das Angebot als "Creative Commons" macht es möglich, dieses Buch einfach herunterzuladen und sich jene Stücke herauszugreifen, die einen interessieren.<br><br><br>
promising to reconcile green-alternative, esoteric
+
[[Kategorie:Heidentum]]
and seemingly non-exploitive, anti-imperialist
+
[[Kategorie:Rezensionen]]
ideas – all of this vaguely reverberated with
 
the popular Romanticism surrounding American
 
Indian spirituality and Tolkinian worlds.5
 
Kapitel 1 – „Creating the Paradigm: Historical
 
Preconditions of Modern Asatru“ – beschreibt
 
die Geschichte des modernen Asatru, beginnend
 
mit Herder und den Brüdern Grimm, endend
 
mit der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg
 
und „Witchcraft and the Celtic Revival“6.
 
Von Schnurbeins Darstellung der Geschichte
 
der AS nach dem 2. Weltkrieg im zweiten
 
Kapitel („Creating a Religion: The Emergence
 
and Development of Late Twentieth Century
 
Asatru“) kommt nicht umhin, die braunen Gespenster
 
noch einmal klar zu benennen. Die
 
Entwicklung ab 1990 – an den Beispielen Norwegen,
 
Schweden, Dänemark, Island, Großbritannien,
 
USA bis Deutschland – ist aber mehr
 
und mehr frei von Zusammenhängen zur rechten
 
Szene. Kalte Schauer laufen mir trotzdem
 
über den Rücken, wenn ich lese, wie sie von außen
 
das „Ariosophieprojekt“ des „Rabenclan“
 
wahrgenommen hat – mich daran erinnernd,
 
wie diese an McCarthy gemahnenden Jagden
 
4 Zur Bedeutung und Herleitung des Begriffs „Asatru“
 
vgl. S. 106
 
5 S. 1
 
6 S. 51
 
auf (angebliche) Rechtsradikale innerhalb des
 
Heidentums für Ärger gesorgt haben.
 
Irgendwann taucht der „Eldaring“ auf der
 
Bildfläche auf:
 
The largest and youngest of the new Asatru
 
groups in Germany, the a-racist Eldaring (…)
 
differs from both Nornirs Ætt and the VfgH
 
Gruppennamen im Zitat in kursiv in its conception
 
of itself as not a tight-knit religious community,
 
but as a contact and service platform – a
 
network for Asatruers who perceive of their faith
 
as a personal and private matter.7
 
„Believing and Doing“ ist der Titel des dritten
 
Kapitels.
 
Für einige ihrer Thesen zu Mitgliedern von
 
AS-Gruppen fehlt mir die Faktenbasis – ein
 
typisches Mitglied sei zwischen 30 und 60 und
 
hätte eine religiöse Suche hinter sich, früher wären
 
weniger Frauen in den Gruppen drin gewesen,
 
aber langsam steige ihr Anteil.8 Das trifft auf
 
zu viele Gruppen zu, nicht nur auf AS, sondern
 
in meiner Wahrnehmung ebenso auf LARPer,
 
Rollenspieler etc. Ich halte dies eher für ein gesamtgesellschaftliches
 
Phänomen bei allem, was
 
„geek“ oder „nerd“ ist, nicht für eine prinzipielle
 
AS-Erscheinung.
 
Von Schnurbein stellt die Grundlagen des
 
Glaubens dar, u. a. mit einem Exkurs über die
 
Verehrung von Loki und die daraus auftretenden
 
Probleme innerhalb des Glaubens. Schön
 
ist, dass sie auch eigenartige Quellen wahrnimmt,
 
so die Übernahme des Konzepts für
 
„fulltrui“ aus einer Fantasy-Trilogie9. Sie schildert
 
einen Ritualaufbau und -ablauf, erklärt Begriffe
 
wie Sumbel und zeigt die Verbindungen
 
zwischen AS und Wicca auf.10
 
 
 
Die (Nicht-)Diskussionen um Geza von Nemenyi
 
spielen sich konsequent in Fußnoten ab,
 
was eine gewisse humoristische Lesart erlaubt.11
 
Kapitel 4 behandelt mit „Contested Fields I:
 
Race and Ethnicity“ Minenfelder der heidnischen
 
Diskussion. Von Schnurbein ist sich in diesem
 
Kapitel wie sonst nirgends klar darüber, dass ihre
 
ersten Werke in AS als „generalizing condemnation
 
of Asatru“ wahrgenommen wurden.12
 
Gefreut hat mich, dass sie den Zugang zu
 
mindestens einer „all-embracing occult conspiracy“
 
auch in Pauwels & Bergiers „The Morning
 
of the Magicians“ sieht13.
 
Insgesamt gelingt es der Autorin, eine differenzierte
 
Sicht zu bewahren, so auch in folgendem
 
Zitat:
 
Differing attitudes regarding the role of genetics,
 
heritage and ancestry cannot be dichotomized
 
easily; rather, they structure a diverse and frequently
 
contradictory spectrum of positions within
 
and beyond Asatru.14
 
Dieses Spannungsfeld sieht sie (richtig) im Bereich
 
„racial paradigms“15 und dem Versuch,
 
eine Religion neu oder wieder zu konstruieren.
 
Hier spiegeln sich die Diskussionen wieder, die
 
in den letzten Jahren im AS geführt wurden.
 
Gibt es genetische Disposition für eine Religion,
 
so etwas wie eine Rassenbindung an einen
 
Glauben? Muss man Europäer sein, um AS zu
 
sein? Und natürlich sind die aufgezeigten (neo-)
 
romantischen Einflüsse noch da. Wir sind in
 
vielen Aspekten Nachfahren der Romantiker,
 
wobei wir meiner Ansicht nach leider viel zu oft
 
deren positive Impulse ignorieren.
 
11 Vgl. S. 113, Fußnote 98
 
12 S. 123, Fußnote 3
 
13 S. 125; zu Fußnote 9, vgl. Ritter et al. „Heute die
 
Welt – morgen das ganze Universum“
 
14 S. 129
 
15 S. 144
 
Im zweiten Teil der Problembeschreibung
 
(Kapitel 5: „Contested Fields II: Concepts of Religion
 
and Anti-Monotheism“) geht es um das
 
Verhältnis gegenüber dem Christentum, Antisemitismus,
 
Polytheismus und das grundsätzliche
 
Verhältnis zum Monotheismus. Alle ihre Darstellungen
 
sind richtig, besonders interessant
 
sind ihre Überlegungen zur Wahrnehmung von
 
AS als Erfahrungsreligion.
 
Am Ende des Kapitels konstatiert sie:
 
We can thus identify two means of culturalizing
 
religion and sacralizing culture in Asatru:
 
an anti-modern one, which rejects enlightenment
 
and secularism as ultimately foreign (and
 
Jewish-Christian) and propagates an ethno-pluralist
 
model of different and separate rooted cultures
 
and tribal religions; and a secularist one,
 
which associates itself with modernity and projects
 
its values and ideals onto a deep past.16
 
In „Asatru A Religion of Nature?“ (Kapitel 6)
 
geht es um die romantische Vorstellung einer
 
Bindung an die Natur, Naturspiritualität und
 
den Naturschutz (sowie seine Verbindungen an
 
den rechten Rand). Von Schnurbein beschreibt
 
die Traditionslinien vom III. Reich in die Gegenwart,
 
benennt Menschen, Institutionen, Zeitschriften.
 
Schön finde ich, dass sie Quellen wie
 
das Buch „Walden“ von Henry David Thoreau
 
erkannt hat. Gerade das ist der Verdienst solcher
 
Kapitel – das Herausarbeiten von Minuskeln, damit
 
die Stationen auf dem Weg, der uns hierhergeführt
 
hat, nicht vergessen werden.
 
„Gender and Sexuality“ (Kapitel 7) ist ein
 
Thema, das ich – außerhalb des Bereichs der
 
Gleichberechtigung und einigen halbherzigen
 
Diskussionen zum Thema Homosexualität in
 
AS – eigentlich eher im historischen Rahmen
 
verorte. Auch von Schnurbein wählt einen his-
 
 
 
torischen Zugang durch das Thema der Rolle der
 
germanischen Frau. Selbst wenn ich das Gefühl
 
habe, dass die Frauenrolle in der Spiritualität ein
 
Thema der 80er Jahre war (die üblichen Namen
 
werden in diesem Kontext erwähnt: Budapest,
 
Paxson etc.), so lesen sich die Passagen in ihrem
 
Buch interessant. Von Schnurbein schafft die
 
Kurve, indem sie auf die Einflüsse von weiblicher
 
Spiritualität auf AS hinweist:
 
Consequently, adoptions of individual elements
 
of women-centered spirituality can be found in
 
most Asatru groups today.17
 
Erst später geht es um Männlichkeit, Männerbünde
 
und Geschlechterrollen. Auch hier gilt,
 
dass ich eindeutig links sozialisiert – hier Diskussionen
 
und Beweisführungen erneut lese,
 
die ich aus den 80er-Jahren kenne. Interessant
 
ist, wenn diese Diskussionen an AS-Themen wie
 
Mannwerdung festgemacht werden. Konservative
 
Geschlechterrollen werden in Ritualen immer
 
wieder reproduziert – von außen betrachtet
 
hat von Schnurbein damit völlig recht und sicherlich
 
ist die Geschlechterrolle ein Thema, das
 
AS weiterhin diskutieren muss.
 
Gut ist, dass von Schnurbein den klaren
 
Standpunkt von „Eldaring“ und anderen Vereinen
 
zur Homosexualität wahrnimmt.18 Man
 
merkt aber durch die Lektüre, welchen langen
 
Weg AS gehen musste, um zu einer solchen klaren,
 
geschlossenen Aussage zu kommen.
 
Das Thema von Kapitel 8 „Asatru – An Academic
 
Religion?stellt natürlich eine Frage, die
 
viele praktizierende AS auf die sprichwörtliche
 
Palme treiben dürfte. In der Einführung zu dem
 
Kapitel schreibt von Schnurbein:
 
The relation between Germanic Neopaganism
 
and academia is highly ambiguous. While
 
17 S. 227
 
18 S. 246, Fußnote 130
 
knowledge of primary sources as well as academic
 
theory plays a foundational role for a-racist
 
and many ethnicist Asatruers, the majority of
 
these Heathens have little first-hand knowledge
 
of those sources (…). Their knowledge comes
 
mostly from fictional literature, Neopagan
 
popular interpretations, and other popularized
 
accounts of Norse mythology, as well as from Internet
 
sources.19
 
Es geht um den Umgang mit Quellen, die prinzipielle
 
Rolle der „Edda“ und die Geschichte
 
des akademischen und nicht-akademischen
 
Umgangs mit den Quellen. Gerade die Autoren
 
aus der zweiten Hälfte des 19. und ersten Hälfte
 
des 20. Jahrhunderts haben hier sehr eigenartige
 
Fundamente gelegt. Sei es Herman Wirth
 
mit seinem „Der Aufgang der Menschheit“ und
 
seiner Würdigung der „Ura-Linda-Chronik“ als
 
ernst zu nehmender historischer Quelle20, sei es
 
Wilhelm Teudt mit seinen Deutungen zu den
 
Externsteinen und der Irminsul21 – all das hat
 
natürlich die Arbeit mit den Quellen schwerer
 
gemacht, das Wasser im sprichwörtlichen Sinne
 
vergiftet. Und leider gibt es heute noch Menschen,
 
die diesen oder ähnlichen Theorien aufsitzen,
 
bis in die Gegenwart hinein. Auch dies ist
 
ein Punkt, an dem von Schnurbein das Weiterleben
 
von einzelnen „eigenartigen“ Vorstellungen
 
bis in die Gegenwart hinein sauber nachvollzieht.
 
Aber sie sieht auch, dass es in den letzten
 
Jahren eine klärende Entwicklung gegeben hat:
 
This pride [des „Eldaring“, HR] in an active engagement
 
with the study of sources and relevant
 
scholarship is shared by other German groups (…)
 
and is foundational for their group identities.22
 
19 S.
 
 
 
Sie beendet das Kapitel mit dem Hinweis, dass
 
sie abschließend die Verbindungen zwischen
 
Ästhetik, Religion und Politik betrachten will,
 
welche die Wahrnehmung der germanischen
 
Mythen bestimmen.
 
Kapitel 9 „Germanic Neopaganism – A Nordic
 
Art-Religion?versucht, diesen Zusammenhang
 
herauszuarbeiten. Die Eingangssätze legen
 
einen breiten Rahmen fest:
 
Aesthetic imaginaries in stories, paintings, film,
 
and music, ranging from Wagnerian opera to
 
contemporary black metal, Viking metal, Pagan
 
metal, and neofolk music have had a strong impact
 
on Asatru as well as on popular images of
 
Nordic myth and religion.23
 
Über Herder und Wagner führt der Weg bis zu
 
Tolkien. Der Kritik, dass Tolkiens Werk „has
 
been largely ignored by academic literary criticism“
 
24 kann ich nicht folgen; so ist ein Hinweis
 
auf die englischen Inklings vorhanden25,
 
während die Existenz einer deutschsprachigen
 
Organisation gleichen Namens, die sich mit
 
Tolkien beschäftigt, von Schnurbein entgangen
 
ist. Ich möchte auf die Ausführungen zu Tolkien
 
nicht länger eingehen – in den letzten Jahren
 
wurde immer offensichtlicher, wie wichtig Tolkien
 
und seine Rezeption für die Entwicklung
 
des AS waren (und sind).
 
Interessanter sind dann ihre Ausführungen
 
über Entwicklungen wie das „Harzer Bergtheater“,
 
bei dem im Stil des Volkstheaters in einem
 
Ansatz als Reformbühne Gesinnung und Bildung
 
miteinander verbunden wurden, um mit
 
den Mitteln des Theaters „Gesinnungskunst“ zu
 
verbreiten.
 
Von Schnurbein macht dann inhaltlich einen
 
Schlenker zurück zu Tolkien im Unterkapitel
 
23 S. 298
 
24 S. 309, Fußnote 41
 
25 S. 309, Fußnote 42
 
„Heirs of Wagner and Tolkien: Asatru Novelists“.
 
Richtig schreibt sie:
 
By now, the market for fantasy and historical
 
literature with ‚Germanic‘ or ‚Nordic‘ themes
 
has expanded to an extent that makes it almost
 
impossible to keep an overview of the relevant
 
works and authors. (…) Four novelistic sub-genres
 
stand out here: historical fantasy, alternate
 
history, historical novels about national icons,
 
and urban fantasy.26
 
Die große Rundreise beginnt mit Marion Zimmer
 
Bradley und Diana L. Paxson sowie Stephan
 
Grundy als Vertreter der historischen Fantasy.
 
Für die „alternate history“ wird die Trilogie von
 
Harry Harrison und John Holm (= Tom Shippey)
 
zitiert. Bei den „historical novels“ greift
 
ihre eigene Definition nicht, wenn sie zum Thema
 
als Filme „Conan the Barbarian“ und „The
 
Thirteenth Warrior“ zitiert.27 Meiner Ansicht
 
nach speist sich „Conan“ mit seiner ganzen Welt
 
aus einer Menge Quellen, bei der die nordischen
 
Einflüsse hinter keltischen zurückstehen. Und
 
beide Filme sind maximal pseudo-historisch,
 
weil sie nicht versuchen, den Anschein zu erwecken,
 
sie könnten historische Ereignisse wiedergeben.
 
An Büchern nennt sie zu diesem Thema
 
die Deutsche Iris Kammerer, im internationalen
 
Rahmen u. a. Tor Åge Bringsværd. Der Bereich
 
„urban fantasy“ findet nicht statt – hier wären
 
eine Begriffsklärung und ein paar Beispiele
 
sinnvoll gewesen.
 
„Dark Heirs of Wagner and Tolkien: Metal
 
and Neofolk“ heißt das nächste Unterkapitel.
 
Bei Musik zeigt sich noch stärker als bei
 
der Literatur, dass der eigene Musikgeschmack
 
(zumindest meiner) eine objektive Betrachtung
 
unmöglich macht. Sprich: Da bin ich inhaltlich
 
raus.
 
 
 
Abschließend versucht von Schnurbein eine
 
Zusammenfassung des Kapitels:
 
The results of this last chapter on Nordic art-religion
 
raise broader questions about the relation
 
between ideas about Nordic or Germanic myth,
 
literary and aesthetic movements, contemporary
 
spirituality, and their shifting political functions.
 
From this perspective, art-religion can indeed
 
serve as a useful, all-encompassing paradigm for
 
understanding Germanic Neopaganism and its
 
ambiguous location in modern societies.28
 
Ja, könnte… Aber meiner Ansicht nach müssten
 
die Fragen noch einmal auf breiterer Basis (für
 
mich hieße das: unter Betrachtung von möglichst
 
vielen Aspekten der modernen Fantasy)
 
versucht werden, um zu einem nachvollziehbaren
 
Ergebnis zu kommen.
 
„Instead of a Conclusion“ beendet als Kapitel
 
10 das Buch. Hier schließt von Schnurbein
 
den Bogen – ihre erste Reise begann mit einem
 
Ostara-Thing des Armanen-Ordens, und über
 
20 Jahre später ist sie 2010 auf einer Ostara-Veranstaltung
 
des „Eldaring“ zu Gast und stellt sich
 
einer Diskussion über ihre Thesen. Über diese
 
Erfahrung schreibt sie:
 
But I am impressed by my audience’s openness
 
and willingness to reflect on their own positions.29
 
28 S. 350
 
29 S. 351
 
Und:
 
There is an increased openness and friendliness,
 
and the defensiveness is less aggravated, at least
 
in this and other a-racist groups. They seem to
 
cherish their friendships and their community
 
more than they need to insist on their status as
 
ostracized outsiders.30
 
Sie erkennt auch, dass es im Rückblick möglich
 
ist, ihre ersten Bücher als Impuls zu begreifen,
 
sich als AS mit unbequemen Themen
 
zu beschäftigen. Mit dieser Einschätzung hat
 
sie Recht. Ihre Werke waren in den 90er Jahren
 
wichtig und richtig, wenn auch unbequem. Das
 
gilt auch für „Norse Revival“. Das Buch ist weniger
 
unbequem für uns, das stimmt. Aber das
 
liegt daran, dass wir in den letzten 30 Jahren aus
 
ihren ersten Büchern etwas gelernt haben. Dafür
 
gebührt ihr unser Dank.
 
Das Buch endet sehr persönlich. Denn wie
 
bei jeder guten Untersuchung von Gottheiten
 
und Glauben verändert sich der Untersuchende
 
im Prozess mit. Und obwohl von Schnurbein
 
nach dem „Norse Revival“ gesucht hat, so hat
 
sie auch Antworten auf Fragen gefunden, die sie
 
(offen) nie gestellt hat.
 
Man sollte dieses Buch lesen. Gerade das Angebot
 
als „Creative Commons“ macht es möglich,
 
dieses Buch einfach herunterzuladen und
 
sich jene Stücke herauszugreifen, die einen interessieren.
 
30
 

Aktuelle Version vom 20. Januar 2024, 16:06 Uhr

von Schnurbein
Norse Revival
Transformations of Germanic Neopaganism
418 Seiten, Broschur
Studies in Critical Research on Religion, 2016
140.00 €

Dieses Buch wurde unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht, es ist u. a. unter http://booksandjournals.brillonline.com/content/books/9789004309517 kostenfrei erhältlich.

Stefanie von Schnurbein hat einen langen Weg hinter sich – gegen, neben und mit den deutschen Anhängern des "Germanic Neopaganism". In den 90er Jahren waren ihre beiden Bücher "Religion als Kulturkritik – Neugermanisches Heidentum im 20. Jahrhundert" (1992) und "Göttertrost in Wendezeiten – Neugermanisches Heidentum zwischen New Age und Rechtsradikalismus" (1993) Ohrfeigen in das Gesicht jedes Asatru, denn sie arbeitete sauber den inhaltlichen und personellen Zusammenhang zwischen Asatru und Rechtsradikalismus heraus. Leider waren ihre Erkenntnisse alle richtig – aber ihre Rundreise hatte nur eine Kurve, nämlich die rechte Kurve des Stadions besucht, in dem Anhänger der nordischen Götter sitzen.
Umso schlimmer war es für das Heidentum der 90er Jahre, diese fundierte und nachvollziehbare Einschätzung lesen zu müssen, nach der sie selbst Deppen waren, die am Honig der rechten Verführer nuckelten – alles richtig, wenn man überlegt, wem die Untersuchung galt. Der Alleinvertretungsanspruch, den die Rechten damals wie heute vertraten, führte bei der Autorin zu einer nachvollziehbaren Fehleinschätzung.
Fast 20 Jahre später begab sie sich auf eine zweite Reise, dieses Mal auf der anderen Kurve des Stadions entlang. Sie hatte erkannt, dass sie damals eine geführte Reise mitgemacht hatte, bei der die Fremdenführer politische Extremisten waren. Also bat sie nun um eine Reiseleitung auf der anderen Seite.
Eine der Gruppen, die sie – nach Rückfragen bei den amerikanischen Asatru – als Reiseziel identifizierte, war der "Eldaring". Sie geriet in Diskussion mit dem "Eldaring", seinen Mitgliedern und dessen Publikationen. Wir können stolz darauf sein, dass sie bereit war, ihre Thesen auf einer Ostara-Veranstaltung vorzutragen und zu verteidigen. Und ich fand es mutig und ein wenig überraschend, dass sie am Ostara-Ritual teilnahm – früh morgens, in bitterer Kälte.
Die Reise hatte Erfolg, wie man an "Norse Revival" erkennen kann – und es ist erfreulich, dass das Ergebnis nicht nur für die nordischen Heiden besser ausfällt, sondern auch den "Eldaring" und seine Protagonisten immer wieder positiv erwähnt. Einmal geschieht dies dadurch, dass sich diverse Mitglieder für Interviews zur Verfügung gestellt haben[1], sei es durch Korrespondenz[2] oder durch das Verwenden von Artikeln von Mitgliedern, z. B. aus der "Herdfeuer"[3].
Eine Anmerkung: Im Folgenden verwende ich "AS", um alle im Text gemeinten heidnischen Varianten benennen zu können. Die beiden Buchstaben können sowohl für "Asatru" als auch für "Alte Sitte" stehen.[4]
Inhaltlich gliedert sich das Buch in 11 Kapitel.
In der "Introduction" gibt sie schon den großen Rahmen vor, in dem von Schnurbein die AS wahrnimmt:
Worshipping deities such as Odin, Thor, and Freya, along with the rich world of Nordic myth promising to reconcile green-alternative, esoteric and seemingly non-exploitive, anti-imperialist ideas – all of this vaguely reverberated with the popular Romanticism surrounding American Indian spirituality and Tolkinian worlds.[5]
Kapitel 1 – "Creating the Paradigm: Historical Preconditions of Modern Asatru" – beschreibt die Geschichte des modernen Asatru, beginnend mit Herder und den Brüdern Grimm, endend mit der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg und "Witchcraft and the Celtic Revival"[6].
Von Schnurbeins Darstellung der Geschichte der AS nach dem 2. Weltkrieg im zweiten Kapitel ("Creating a Religion: The Emergence and Development of Late Twentieth Century Asatru") kommt nicht umhin, die braunen Gespenster noch einmal klar zu benennen. Die Entwicklung ab 1990 – an den Beispielen Norwegen, Schweden, Dänemark, Island, Großbritannien, USA bis Deutschland – ist aber mehr und mehr frei von Zusammenhängen zur rechten Szene. Kalte Schauer laufen mir trotzdem über den Rücken, wenn ich lese, wie sie von außen das "Ariosophieprojekt" des "Rabenclan" wahrgenommen hat – mich daran erinnernd, wie diese an McCarthy gemahnenden Jagden auf (angebliche) Rechtsradikale innerhalb des Heidentums für Ärger gesorgt haben.
Irgendwann taucht der "Eldaring" auf der Bildfläche auf:
The largest and youngest of the new Asatru groups in Germany, the a-racist Eldaring (…) differs from both Nornirs Ætt and the VfgH in its conception of itself as not a tight-knit religious community, but as a contact and service platform – a network for Asatruers who perceive of their faith as a personal and private matter.[7]
"Believing and Doing" ist der Titel des dritten Kapitels.
Für einige ihrer Thesen zu Mitgliedern von AS-Gruppen fehlt mir die Faktenbasis – ein typisches Mitglied sei zwischen 30 und 60 und hätte eine religiöse Suche hinter sich, früher wären weniger Frauen in den Gruppen drin gewesen, aber langsam steige ihr Anteil.[8] Das trifft auf zu viele Gruppen zu, nicht nur auf AS, sondern in meiner Wahrnehmung ebenso auf LARPer, Rollenspieler etc. Ich halte dies eher für ein gesamtgesellschaftliches Phänomen bei allem, was "geek" oder "nerd" ist, nicht für eine prinzipielle AS-Erscheinung.
Von Schnurbein stellt die Grundlagen des Glaubens dar, u. a. mit einem Exkurs über die Verehrung von Loki und die daraus auftretenden Probleme innerhalb des Glaubens. Schön ist, dass sie auch eigenartige Quellen wahrnimmt, so die Übernahme des Konzepts für "fulltrui" aus einer Fantasy-Trilogie[9]. Sie schildert einen Ritualaufbau und -ablauf, erklärt Begriffe wie Sumbel und zeigt die Verbindungen zwischen AS und Wicca auf.[10]
Die (Nicht-)Diskussionen um Geza von Nemenyi spielen sich konsequent in Fußnoten ab, was eine gewisse humoristische Lesart erlaubt.[11]
Kapitel 4 behandelt mit "Contested Fields I: Race and Ethnicity" Minenfelder der heidnischen Diskussion. Von Schnurbein ist sich in diesem Kapitel wie sonst nirgends klar darüber, dass ihre ersten Werke in AS als "generalizing condemnation of Asatru" wahrgenommen wurden.[12]
Gefreut hat mich, dass sie den Zugang zu mindestens einer "all-embracing occult conspiracy" auch in Pauwels & Bergiers "The Morning of the Magicians" sieht[13].
Insgesamt gelingt es der Autorin, eine differenzierte Sicht zu bewahren, so auch in folgendem Zitat:
Differing attitudes regarding the role of genetics, heritage and ancestry cannot be dichotomized easily; rather, they structure a diverse and frequently contradictory spectrum of positions within and beyond Asatru.[14]
Dieses Spannungsfeld sieht sie (richtig) im Bereich "racial paradigms"[15] und dem Versuch, eine Religion neu oder wieder zu konstruieren. Hier spiegeln sich die Diskussionen wieder, die in den letzten Jahren im AS geführt wurden. Gibt es genetische Disposition für eine Religion, so etwas wie eine Rassenbindung an einen Glauben? Muss man Europäer sein, um AS zu sein? Und natürlich sind die aufgezeigten (neo-)romantischen Einflüsse noch da. Wir sind in vielen Aspekten Nachfahren der Romantiker, wobei wir meiner Ansicht nach leider viel zu oft deren positive Impulse ignorieren.
Im zweiten Teil der Problembeschreibung (Kapitel 5: "Contested Fields II: Concepts of Religion and Anti-Monotheism") geht es um das Verhältnis gegenüber dem Christentum, Antisemitismus, Polytheismus und das grundsätzliche Verhältnis zum Monotheismus. Alle ihre Darstellungen sind richtig, besonders interessant sind ihre Überlegungen zur Wahrnehmung von AS als Erfahrungsreligion.
Am Ende des Kapitels konstatiert sie:
We can thus identify two means of culturalizing religion and sacralizing culture in Asatru: an anti-modern one, which rejects enlightenment and secularism as ultimately foreign (and Jewish-Christian) and propagates an ethno-pluralist model of different and separate rooted cultures and tribal religions; and a secularist one, which associates itself with modernity and projects its values and ideals onto a deep past.[16]
In "Asatru – A Religion of Nature?" (Kapitel 6) geht es um die romantische Vorstellung einer Bindung an die Natur, Naturspiritualität und den Naturschutz (sowie seine Verbindungen an den rechten Rand). Von Schnurbein beschreibt die Traditionslinien vom III. Reich in die Gegenwart, benennt Menschen, Institutionen, Zeitschriften. Schön finde ich, dass sie Quellen wie das Buch "Walden" von Henry David Thoreau erkannt hat. Gerade das ist der Verdienst solcher Kapitel – das Herausarbeiten von Minuskeln, damit die Stationen auf dem Weg, der uns hierhergeführt hat, nicht vergessen werden.
"Gender and Sexuality" (Kapitel 7) ist ein Thema, das ich – außerhalb des Bereichs der Gleichberechtigung und einigen halbherzigen Diskussionen zum Thema Homosexualität in AS – eigentlich eher im historischen Rahmen verorte. Auch von Schnurbein wählt einen historischen Zugang durch das Thema der Rolle der germanischen Frau. Selbst wenn ich das Gefühl habe, dass die Frauenrolle in der Spiritualität ein Thema der 80er Jahre war (die üblichen Namen werden in diesem Kontext erwähnt: Budapest, Paxson etc.), so lesen sich die Passagen in ihrem Buch interessant. Von Schnurbein schafft die Kurve, indem sie auf die Einflüsse von weiblicher Spiritualität auf AS hinweist:
Consequently, adoptions of individual elements of women-centered spirituality can be found in most Asatru groups today.[17]
Erst später geht es um Männlichkeit, Männerbünde und Geschlechterrollen. Auch hier gilt, dass ich – eindeutig links sozialisiert – hier Diskussionen und Beweisführungen erneut lese, die ich aus den 80er-Jahren kenne. Interessant ist, wenn diese Diskussionen an AS-Themen wie Mannwerdung festgemacht werden. Konservative Geschlechterrollen werden in Ritualen immer wieder reproduziert – von außen betrachtet hat von Schnurbein damit völlig recht und sicherlich ist die Geschlechterrolle ein Thema, das AS weiterhin diskutieren muss.
Gut ist, dass von Schnurbein den klaren Standpunkt von "Eldaring" und anderen Vereinen zur Homosexualität wahrnimmt.[18] Man merkt aber durch die Lektüre, welchen langen Weg AS gehen musste, um zu einer solchen klaren, geschlossenen Aussage zu kommen.
Das Thema von Kapitel 8 "Asatru – An Academic Religion?" stellt natürlich eine Frage, die viele praktizierende AS auf die sprichwörtliche Palme treiben dürfte. In der Einführung zu dem Kapitel schreibt von Schnurbein:
The relation between Germanic Neopaganism and academia is highly ambiguous. While knowledge of primary sources as well as academic theory plays a foundational role for a-racist and many ethnicist Asatruers, the majority of these Heathens have little first-hand knowledge of those sources (…). Their knowledge comes mostly from fictional literature, Neopagan popular interpretations, and other popularized accounts of Norse mythology, as well as from Internet sources.[19]
Es geht um den Umgang mit Quellen, die prinzipielle Rolle der "Edda" und die Geschichte des akademischen und nicht-akademischen Umgangs mit den Quellen. Gerade die Autoren aus der zweiten Hälfte des 19. und ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben hier sehr eigenartige Fundamente gelegt. Sei es Herman Wirth mit seinem "Der Aufgang der Menschheit" und seiner Würdigung der "Ura-Linda-Chronik" als ernst zu nehmender historischer Quelle[20], sei es Wilhelm Teudt mit seinen Deutungen zu den Externsteinen und der Irminsul[21] – all das hat natürlich die Arbeit mit den Quellen schwerer gemacht, das Wasser im sprichwörtlichen Sinne vergiftet. Und leider gibt es heute noch Menschen, die diesen oder ähnlichen Theorien aufsitzen, bis in die Gegenwart hinein. Auch dies ist ein Punkt, an dem von Schnurbein das Weiterleben von einzelnen "eigenartigen" Vorstellungen bis in die Gegenwart hinein sauber nachvollzieht. Aber sie sieht auch, dass es in den letzten Jahren eine klärende Entwicklung gegeben hat:
This pride [des "Eldaring", HR] in an active engagement with the study of sources and relevant scholarship is shared by other German groups (…) and is foundational for their group identities.[22]
Sie beendet das Kapitel mit dem Hinweis, dass sie abschließend die Verbindungen zwischen Ästhetik, Religion und Politik betrachten will, welche die Wahrnehmung der germanischen Mythen bestimmen.
Kapitel 9 "Germanic Neopaganism – A Nordic Art-Religion?" versucht, diesen Zusammenhang herauszuarbeiten. Die Eingangssätze legen einen breiten Rahmen fest:
Aesthetic imaginaries in stories, paintings, film, and music, ranging from Wagnerian opera to contemporary black metal, Viking metal, Pagan metal, and neofolk music have had a strong impact on Asatru as well as on popular images of Nordic myth and religion.[23]
Über Herder und Wagner führt der Weg bis zu Tolkien. Der Kritik, dass Tolkiens Werk "has been largely ignored by academic literary criticism"[24] kann ich nicht folgen; so ist ein Hinweis auf die englischen Inklings vorhanden[25], während die Existenz einer deutschsprachigen Organisation gleichen Namens, die sich mit Tolkien beschäftigt, von Schnurbein entgangen ist. Ich möchte auf die Ausführungen zu Tolkien nicht länger eingehen – in den letzten Jahren wurde immer offensichtlicher, wie wichtig Tolkien und seine Rezeption für die Entwicklung des AS waren (und sind).
Interessanter sind dann ihre Ausführungen über Entwicklungen wie das "Harzer Bergtheater", bei dem im Stil des Volkstheaters in einem Ansatz als Reformbühne Gesinnung und Bildung miteinander verbunden wurden, um mit den Mitteln des Theaters "Gesinnungskunst" zu verbreiten.
Von Schnurbein macht dann inhaltlich einen Schlenker zurück zu Tolkien im Unterkapitel "Heirs of Wagner and Tolkien: Asatru Novelists". Richtig schreibt sie:
By now, the market for fantasy and historical literature with "Germanic" or "Nordic" themes has expanded to an extent that makes it almost impossible to keep an overview of the relevant works and authors. (…) Four novelistic sub-genres stand out here: historical fantasy, alternate history, historical novels about national icons, and urban fantasy.[26]
Die große Rundreise beginnt mit Marion Zimmer Bradley und Diana L. Paxson sowie Stephan Grundy als Vertreter der historischen Fantasy. Für die "alternate history" wird die Trilogie von Harry Harrison und John Holm (= Tom Shippey) zitiert. Bei den "historical novels" greift ihre eigene Definition nicht, wenn sie zum Thema als Filme "Conan the Barbarian" und "The Thirteenth Warrior" zitiert.[27] Meiner Ansicht nach speist sich "Conan" mit seiner ganzen Welt aus einer Menge Quellen, bei der die nordischen Einflüsse hinter keltischen zurückstehen. Und beide Filme sind maximal pseudo-historisch, weil sie nicht versuchen, den Anschein zu erwecken, sie könnten historische Ereignisse wiedergeben. An Büchern nennt sie zu diesem Thema die Deutsche Iris Kammerer, im internationalen Rahmen u. a. Tor Åge Bringsværd. Der Bereich "urban fantasy" findet nicht statt – hier wären eine Begriffsklärung und ein paar Beispiele sinnvoll gewesen.
"Dark Heirs of Wagner and Tolkien: Metal and Neofolk" heißt das nächste Unterkapitel. Bei Musik zeigt sich noch stärker als bei der Literatur, dass der eigene Musikgeschmack (zumindest meiner) eine objektive Betrachtung unmöglich macht. Sprich: Da bin ich inhaltlich raus.
Abschließend versucht von Schnurbein eine Zusammenfassung des Kapitels:
The results of this last chapter on Nordic art-religion raise broader questions about the relation between ideas about Nordic or Germanic myth, literary and aesthetic movements, contemporary spirituality, and their shifting political functions. From this perspective, art-religion can indeed serve as a useful, all-encompassing paradigm for understanding Germanic Neopaganism and its ambiguous location in modern societies.[28]
Ja, könnte… Aber meiner Ansicht nach müssten die Fragen noch einmal auf breiterer Basis (für mich hieße das: unter Betrachtung von möglichst vielen Aspekten der modernen Fantasy) versucht werden, um zu einem nachvollziehbaren Ergebnis zu kommen.
"Instead of a Conclusion" beendet als Kapitel 10 das Buch. Hier schließt von Schnurbein den Bogen – ihre erste Reise begann mit einem Ostara-Thing des Armanen-Ordens, und über 20 Jahre später ist sie 2010 auf einer Ostara-Veranstaltung des "Eldaring" zu Gast und stellt sich einer Diskussion über ihre Thesen. Über diese Erfahrung schreibt sie:
But I am impressed by my audience’s openness and willingness to reflect on their own positions.[29]
Und:
There is an increased openness and friendliness, and the defensiveness is less aggravated, at least in this and other a-racist groups. They seem to cherish their friendships and their community more than they need to insist on their status as ostracized outsiders.[30]
Sie erkennt auch, dass es im Rückblick möglich ist, ihre ersten Bücher als Impuls zu begreifen, sich als AS mit unbequemen Themen zu beschäftigen. Mit dieser Einschätzung hat sie Recht. Ihre Werke waren in den 90er Jahren wichtig und richtig, wenn auch unbequem. Das gilt auch für "Norse Revival". Das Buch ist weniger unbequem für uns, das stimmt. Aber das liegt daran, dass wir in den letzten 30 Jahren aus ihren ersten Büchern etwas gelernt haben. Dafür gebührt ihr unser Dank.
Das Buch endet sehr persönlich. Denn wie bei jeder guten Untersuchung von Gottheiten und Glauben verändert sich der Untersuchende im Prozess mit. Und obwohl von Schnurbein nach dem "Norse Revival" gesucht hat, so hat sie auch Antworten auf Fragen gefunden, die sie (offen) nie gestellt hat.

Man sollte dieses Buch lesen. Gerade das Angebot als "Creative Commons" macht es möglich, dieses Buch einfach herunterzuladen und sich jene Stücke herauszugreifen, die einen interessieren.


  1. So Uwe Ehrenhöfer
  2. So mit Kurt Oertel
  3. Genannt werden als Autoren mit Artikeln in der "Herdfeuer" Alvisson, Behringer, GardenStone, A. Jahnke, Oertel, Ritter, Waggoner und Walthard.
  4. Zur Bedeutung und Herleitung des Begriffs "Asatru" vgl. S. 106
  5. S. 1
  6. S. 51
  7. S. 76
  8. Vgl. S. 88 f.
  9. Vgl. S. 97, Fußnote 29
  10. Vgl. S. 111
  11. Vgl. S. 113, Fußnote 98
  12. S. 123, Fußnote 3
  13. S. 125; zu Fußnote 9, vgl. Ritter et al. "Heute die Welt – morgen das ganze Universum"
  14. S. 129
  15. S. 144
  16. S. 179
  17. S. 227
  18. S. 246, Fußnote 130
  19. S. 251
  20. Vgl. S. 267
  21. Vgl. S. 268 f.
  22. S. 191
  23. S. 298
  24. S. 309, Fußnote 41
  25. S. 309, Fußnote 42
  26. S. 324 f.
  27. S. 330, Fußnote 125
  28. S. 350
  29. S. 351
  30. Ebenda