Steampunk von außen

Aus hermannritter.de
Wechseln zu: Navigation, Suche

Wie fühlt sich Steampunk an?
Irgendwie metallisch. Nicht unangenehm, aber auch nicht auf den ersten Blick sympathisch. Ein wenig ist der erste Eindruck der, als würde man die Hand auf einen großen Bronzekübel legen. Dann wärmt sich das Metall an und man merkt, dass die Berührung (die im ersten Moment eigenartig war) angenehmer wird, bis man am Ende die Hand gerne dort liegen lässt, weil es ein schönes Gefühl ist.

Wie riecht Steampunk?
Nach Metall. Nach Leder. Nach feinem Stoff. Ein wenig nach Zimt und nach gutem Pfeifentabak. Wenn man die Augen zumacht, dann fühlt man sich wie in Bord der "Nautilus" und Captain Nemo marschiert gerade auf die Orgel zu, um dort ein wenig Bach zu klimpern. Oder man steht neben Arthur Conan Doyles‘ Professor Challenger am Tresen eines englischen Pubs, hat die Augen geschlossen und riecht nur das Holz des Tresens, das schale Bier, den Geruch der kalten Asche und des warmen Rauches von Feuer und Tabak. Dazu dann eine Note von Gin oder Rum, und vielleicht als letzten Effekt ein teures, schweres Parfüm auf der Basis von Ambra. Oder man sitzt in einem Lehnstuhl im "Explorer’s Club", und Jones erzählt gerade von seiner Begegnung mit dem Yeti. Dazu passt nur Tokajer, gereicht in einem geschliffenen Kristallglas. Und zu der Geschichte eine Zigarre, aber nur wenn Jones es dieses Mal schafft, nicht allzu langatmig zu erzählen.

Wie schmeckt Steampunk?
So, als würde man auf die Hülle eines Kaugummis beißen. Metallisch, im ersten Augenblick unangenehm. Manchmal wie Leder, auf dem man herumkauen muss, um es zu verarbeiten. Oft schmeckt es aber auch wie Plumpudding, guter Tee, Vanillekekse und ein Mokka, bitte ohne Zucker, ich mag ihn bitter. Und als Krönung obendrauf ein wenig "turkish delight", am besten mit einem warmen, feuchten Tuch, damit man den Zucker nachher von den Fingern bekommt.

Wie hört sich Steampunk an?
Für mich ist Steampunk viel klassische Musik. Tschaikowsky. Debussy. Grieg. Armeen, die voll aufgetakelt vorbeimarschieren, während man selbst aus der Loge heraus ihre bunten Uniformen würdigt. Oder die Stimme von Yma Sumac, die wie ein Messer durch den Nebel sticht und dazu Dinge singt, die man zu verstehen glaubt, aber nicht versteht. Dschungel, Sternenlicht, Hängematte. Und die Geräusche von Tieren, die eigentlich nicht mehr leben dürften als Dreingabe dazu.

Wie sieht Steampunk aus?
Mechanisch, ohne industriell gefertigt zu werden. Modisch, ohne sich überflüssigerweise vor dem Zeitgeist zu verneigen. Pferde und Kutschen, Kampfroboter und Dampf. Städte voll urbaner Dichte und weite, englische Landschaften. Ein wenig der "Shire" Tolkiens, ein wenig Wells‘ Morlocks dazu und eine Prise, aber wirklich nur eine Prise Exotik (was damals nicht immer gleich Erotik hieß, wie ich hier einmal von mir geben möchte).

Wie schaut Steampunk aus?
Natürlich wie der "Prisoner of Zenda" (eine der beiden alten Verfilmungen, bitte), und ein wenig "Der Kongress tanzt". Wenn schon, denn schon. Man ist nicht Gentleman, um mit halben Sachen zufrieden zu sein.

Wie zieht sich Steampunk an?
Och, da bin ich selbst ein wenig raus. Ich träume immer von einem Steampunk-LARP, an dem ich mit meinen Goggles teilnehmen kann. Bis dahin … sind es Männer mit Säbel, Frauen im Kleid und duftende Taschentücher, die von Abenteuern erzählen könnten. Oder KuK-Uniformen und Ordensspangen, dazu ein Monokel im Auge und ein perfekter Schmiss auf der Wange. "Heidelberg, 1892". Oder wahlweise "Mars, 1891".

Wie spielt sich Steampunk?
Natürlich das Meisterwerk zuerst: mein Zugang war das Rollenspiel "Space 1899". Und ich war begeistert, bin es bis heute noch. Inzwischen fallen mir handwerkliche Fehler an dem Rollenspiel auf, aber das "setting" ist immer noch das Beste, was ich im Bereich Steampunk je gelesen habe. Aber ich gestehe gerne, dass die Welt von "Castle Falkenstein" einen sicheren zweiten Platz verdient hat. Mein Gott, was haben die Amerikaner da auf den Markt geworfen – was für eine irre Geschichte, was für ein irres Rollenspiel, was für ein absolut wahnwitziges Steampunk-"setting". Wow, wow, wow.

Wie liest sich Steampunk?
Der klassische Mars-Roman von Burroughs bis Moorcock, dazu ein wenig Akers (es ist der Mars, nur heißt der Planet anders). Holmes & die meisten seiner Epigonen (von Solar Pons bis kurz vor Nero Wolfe). Dazu Morlocks & Marskanäle, allgemein Retro-Zukunft von Wells bis Verne, von Lasswitz mit "Auf zwei Planeten" bis zur modernen Steampunk-Literatur.

Wie zaubert man im Steampunk?
Man schließt die Augen, denkt an Crowley, den OTO, Blavatsky und uralte Zeichen an der Wand. Lemuria liegt unter den Wellen des Pazifiks, Atlantis schläft vor den Bermudas und Cthulhu liegt mit seinem bösen Horror noch in der literarischen Zukunft. "Harry Potter" hat Anflüge davon, "Narnia" hat sie natürlich alle richtig, aber keiner versteht die Zeichen …

Was war mein erster Kontakt zu Steampunk?
Erster Versuch: Meine Geburt.
Zweiter Versuch: Der erste Roman von Alan Burt Akers; eigentlich ist Antares doch der Mars, oder?
Dritter Versuch: Die "Schlaraffia". Irgendwie … schon. Und sei es nur, weil die Romantik für mich viel mit dem Steampunk zu tun hat.

Was lerne ich daraus?
Punkt 1: Ich muss an einem Steampunk-LARP teilnehmen. Ich muss an einem Steampunk-LARP teilnehmen. Ich muss an einem Steampunk-LARP teilnehmen.
Punkt 2: Yma Sumac darf wieder einmal meine Stereoanlage in Beschlag nehmen.
Punkt 3: Wo kriege ich jetzt einen guten Rum her?