Waste World

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Roleplaying in a Savage Future

Englische Ausgabe
Autor: Bill King
Verlag: Manticore Productions, 1997
Preis: DM 56,00

Die erste Überraschung bei Waste World ist der Druckort: Prag in der tschechischen Republik. Warum auch nicht - ein englischsprachiges Rollenspiel aus dem ehemaligen Ostblock?
Die Optik ist durchgehend sehr ansprechend. Die Seitenumrahmung im "Look" von obskuren Computerausgaben ist zwar auf Dauer etwas nervend, aber offensichtlich ein Versuch, die ansonsten doch etwas erdrückende Bleiwüste ein klein wenig aufzuheitern.
Die Illustrationen sind sehr unterschiedlich. Von kaum erträglichen Schulheft-Bleistiftzeichnungen bis zu detaillierten Buntbildern ist alles vorhanden. Glücklicherweise überwiegen die bessere Illustrationen.
Wasste World spielt auf einer vor neuntausend Jahren vom Krieg der "Ancients" zerstörten Welt, auf der sich die übrig gebliebenen fünf Städte einen endlsoen Krieg um die letzten Rohstoffe liefern. Wichtigstes Gut ist das Drakonium, ein Rohstoff, der für die Energieversorgung der Städte unersetzlich ist.
Vor dem Krieg war diese Welt ein aufstrebender Teile einer galaktischen Föderation. Doch dieses "Galactic Compact" hat nach dem Krieg den Raumhafen der Waste World zerstört und den Planeten vom restlichen Weltraum abgeriegelt. Die Informaitonswege der Waste World sind zerschlagen, die Computersysteme wurden durch intelligente Viren (hier lässt Traveller grüßen) schachmatt gesetzt. Armageddon war gestern, und heute versuchen die Einwohner, ihr Leben so gut wie möglich zu leben.
Alle fünd verbliebenen Städte befinden sich auf einem einzigen Kontinent, Avernus genannt. Prometheus ist die letzte Bastion der echten Menschen. Hier wachen die fünf Maschinen-Götter - Angar der Vernichter, Koth der Verteidiger, Talus der Erzeuger, Slith der Wächter und Heimrath. Sie sind übrig gebliebene Großcomputer, die nun versuchen, ihre Aufgaben als Hüter der Stadt so gut wie möglich weiter durchzuführen. Doch leider haben ihre "Hirne" unter dem Virus zum Teil sehr stark gelitten. Trotzdem ist Prometheus eine der zwei wirklichen Supermächte der Waste World.
Hydra wird von den adligen Häusern regiert. Die Bewohner der Stadt werden als "Posthumans" bezeichnet, da die "Genclans" an ihnen umfangreiche Adaptionen durchgeführt haben. Dies führt auch dazu, dass Hydra von den fünf Städten am wenigsten vom Drakonium abhängig ist - seine auf Biologie und Genetik beruhende Technik braucht weniger Energie als die Anlagen der anderen Städte. Dieses Kapitel hat nebenbei die miesesten Illustrationen von allen - die obskuren Gen-Monster mit Stacheln und dicken Muskelpaketen sind eher zum Lachen.
Die fliegende Insel Ikarus wird durch die Abriegelung der Waste World auf dem Planeten "festgehalten". Die Herren Ikarus' haben einen hohen technischen Standard, sind aber völlig dekadent. In ihren Flugrüstungen geben sie sich den verschiedensten Vergnügungen hin - von denen Metzeln und Intrigieren mit die wichtigsten sind. Ihr Leben verläuft ziemlich sorgenfrei, weil sie - dem "Rule of Seven" folgend - dank fortgeschrittener Technik bis zu siebenmal wiederbelebt werden können, bevor sie wirklich sterben.
Das Shogunat ist hoffnungslos überbevölkert; fast zwei Drittel aller Stadtbewohner des Kontinents leben im Shogunat. Doch das Leben dort ist sehr vorteilhaft. Es gibt keine Positroniken, weil diese - als Reaktion auf den während des Krieges ausgelösten Computervirus - gebannt sind. Aber es gibt die Möglichkeit, über eine Überprüfung des Karma, immer und immer wieder wiedergeboren zu werden - wenn man dessen würdig ist. Und was nimmt man nicht alles für die Unsterblichkeit in Kauf ... Der japanische Hintergrund des Shogunat wirkt aufgesetzt, es ist mir auch nicht ganz klar, wie irdische Japaner auf die Waste World gekommen sein sollen - aber die japanische Kultur (mit Samurai und Ehrenkodex natürlich) ist gerade hip, und da kann man sie natürlich auch gerne hier einbauen.
Janus ist der ehemalige Raumhafen der Waste World. Der abgebrochene "Startower" kündet noch von einer besseren Vergangenheit, ebenso wie die Viertel der Aliens rund um den Raumhafen. Hier gibt es die meisten Fremdrassen, und daher auch die farbenprächtigste Kultur. Hwei Überreste aus der Zeit der planetenweiten Kommunikation haben sich in Janus erhalten. Da gibt es auf der einen Seite die "Universal Trading Bank", deren Währung immernoch auf der ganzen Waste World anerkannt wird, auf der anderen Seite die "Hunters Guild", wo man Kopfjäger (auch Mitglieder von Fremdrassen, die dafür besonders geeignet sind) anwerben kann.
Die Regeln werden, nach einer kurzen Einführung á la "Was ist ein Rollenspiel?", in einem Schnellstart-Kapitel mithilfe von "Character Templates" erklärt. Am liebsten würde ich ja den Schleier des Vergessens über diese Regeln legen, aber das darf man ja leider in einer Rezension nicht. Also: Für mich sieht es nach einem guten GURPS-rip off aus. Man kann Vorteile kaufen, kriegt für Nachteile Punkte gutgeschrieben. Es gibt eine Menge Fertigkeiten/Fähigkeiten, und man soll sich Gedanken über den Hintergrund der eigenen Figur machen.
Die Ausrüstungsliste ist sehr lang und ausführlich. Aber man kann beruhigt sein - es gibt auch auf der Waste World Schrotflinten. Auch hier stellt sich eine ähnliche Beobachtung ein wie schon bei der Beschreibung des Shogunat. Vom ganzen Hintergrund her muss die Waste World in irgendeinem Zusammenhang mit unserer guten alten Mutter Erde gestanden haben. Leider wird überhaupt nicht klar, wie dieser Zusammenhang aussehen soll. Aber das andauernde Zitieren von Erzeugnissen der menschlichen Zivilisation lässt doch klar darauf schließen, dass es hier Zusammenhänge gibt. Und die Verwendung von Versatzstücken irdischer Geschichte (vulgo: Shogunat) lässt dann doch vermuten, dass unsere Nachfahren irgendwann auf dieser Wüstelwelt hängen bleiben, oder? Für die Spielregeln gilt dasselbe wie für die Charaktererschaffung, sorry.
Angenehm fand ich das Kapitel "The Narrator", in welchem dem Spielleiter in paar Tips und Tricks an die Hand gegeben werden, wie er am geschicktesten ein Abenteuer auf der Waste World leitet.
Das Bestiarium krankt zwar an miesen Illustrationen (ein klarer Platz zwei, was schlechte Illus in einem Kapitel anbetrifft), aber dafür ist die Liste wirklich überzeugend. Hier hat man wirklich versucht, die bizarren Hintergründe der Waste World mit dazu passenden (!) Lebewesen zu füllen. Angekündigt sind für die nächsten Monate drei Sourcebooks (The Shogunate, Hydra und Janus) sowie ein Spielleiterschirm ("Narrator's Force Shield").
Ein sehr farbenfroher Hintergrund mit vielen Ansätzen für ein schönes "Dark Future"-Spiel. Ein nicht schlechtes, aber auch nicht originelles Regelsytem. Kaum Fantasy-Elemente, dafür viele verlorene Technologie. Guter Durchschnitt, aber sicherlich kein Kaufzwang.