Bevor die Lichter verlöschen

Aus hermannritter.de
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Mit dem "Fandom Observer" endet auch eine Ära. Sie ist ein wenig die Ära einer bestimmten Generation von Fandomlern.
Geboren zwischen 1960 und 1970, aktiv im Fandom seit den 80er Jahren, aufgewachsen mit Träumen von Raumstationen, Siedlungen auf dem Mond und einer bemannten Fahrt zum Mars. Die Welt der Zukunft war eine andere als die Welt, die wir heute erleben. Sie war friedlicher, aufgeklärter und sauberer. Nicht umsonst waren die Helden dieses Zeitalters nicht nur Perry Rhodan, sondern auch Mark Brandis und "Die Terranauten". Die Welt war für uns kleiner geworden, fast eng, weil sie wirklich zur Wiege der Menschheit geworden war, die man sich zu verlassen anschickte.
Und das Fandom der 80er war eine Willenserklärung von Menschen, die sich einer Literatur verbunden fühlte, die in Nischen existierte. Wir hatten es uns in diesen Nischen bequem gemacht, waren zufrieden damit, dass die Science Fiction eine Literatur war, die nur von Menschen gelesen wurde, die eine Art "kosmisches Bewusstsein" anstrebten. Wir waren Freunde, Weggefährten, Leidensgenossen und Prediger einer Literaturform, die von der Mehrheit belächelt oder verspottet wurde. Als der Siegeszug der Science Fiction im Kino und später im Fernsehen begann, um sich dann auch in den Buchregalen endlos mäandernd fortzusetzen, wurden wir an den Rand gedrängt. Mit wenigen Ausnahmen waren wir professionell nicht in jenem Bereich angekommen, den wir jahrelang gefördert hatten. Wir wurden nicht angestellt, um selber Buchreihen herauszugeben, sondern wir fanden in uns bürgerlichen Berufen wieder. Und aus Fans waren "Nerds" geworden – Menschen, deren einstmals eine Art Geheimsprache bildende Anspielungen zum Massenphänomen geworden waren, ohne dass damit eine ernstzunehmende gesellschaftliche Anerkennung jener verbunden gewesen wäre, die "Nerds" waren, bevor es den Begriff des Nerds gab.
Die Welt veränderte sich in den 80er Jahren. Grenzen fielen, Wertsysteme zerbröselten; dabei hielt eine technische Entwicklung Einzug, die uns klar machte, dass die Welt nur ein Klima hat, dass aber Afrika und Indien auch nur einen Klick von uns entfernt sind. Statt der Fan-Treffen wurden wir Internet-affin, ohne damit das zu erhalten, was wir in den 80er-Jahren gewonnen hatten: Freundschaften, geboren und geschmiedet auf dem Amboss der gemeinsamen eigenartigen Interessen.
Der Tod hielt seine Ernte. Erst starben unsere Helden, jene Autoren, die wir verschlungen hatten. Dann starben die ersten aus unseren Reihen. Einige starben körperlich, andere verkümmerten geistig oder an der sterbenden eigenen Phantasie und verließen – oftmals unter Hinterlassung derbster Beschimpfungen – "unsere" Reihen, um sich eine bürgerliche Existenz mit allen bürgerlichen Werturteilen aufzubauen.
Der "Fandom Observer" war eine Art Schulmagazin der "Class of ‘84", einem gefühlten Orwell-Jahrgang, dem die Angst vor "Big Brother" eingeimpft wurde und der von Raumkolonien träumte. Heute haben wir keine Kolonien im Weltraum, die Zahl der noch lebenden Mondbesucher schwindet, aber der "große Bruder" ist jetzt unser täglicher Weggefährte.
Wir haben noch nicht das Ende des Weges erreicht. Aber wir haben ein Sprachrohr verloren. Die Zukunft wird zeigen (müssen), wie es uns damit ergeht.
Und ja, ich vermisse immer noch die Treffen auf den "FreuCons", träume vom Kicker-Spielen auf dem "ColoniaCon" und denke an alle jene Wegbegleiter, die nächtelang über Bücher sprechen konnten, die außerhalb "unserer Reihen" keiner kannte.
Ich hebe mein Glas auf Euch. Ihr ward (und seit zum Teil noch) Freunde, ohne die mein Leben ärmer, farbloser und weniger mutig geworden wäre. Auf euer Wohl!