Carlos Rasch ist tot

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Als ich in den 80er Jahren als SF-Fan ein wenig bekannter wurde, wurde ich auch gefragt, ob ich im Rahmen eines "Betreuungsprogramms" auch einen DDR-Autoren übernehmen würde. Ich gebe gerne zu: Bis dahin war mein Konsum an ostdeutscher Science Fiction Null, aber wir hatten keine Verwandten "im Osten", waren also von der jährlichen Paketsendemanie zu Weihnachten befreit und damit auch von den Antwortpaketen mit Dingen, die man im Westen nicht brauchte (es gab eine Ausnahme und damit Zugang zu Ost-Musik, aber das gehört nicht hierher).
Irgendwie reizte mich aber das Angebot – und ich fand das politisch interessant, legal Kontakt mit dem Osten zu bekommen.
Ich weiß nicht, warum – aber man teilte mir Carlos Rasch zu. Dieser war 33 Jahre älter als ich, ich hatte noch nie von ihm gehört und jetzt war ich sein "Westpartner". Viele Jahrzehnte später erfuhr er, dass er unter Pseudonym auch in "Terra Astra" etc. publiziert hatte. Seine "Terra Nova"-Beiträge hatte ich übersehen, aber immerhin schickte er mir in einer der ersten Buchpakete "Asteroidenjäger" und "Magma am Himmel", beide mit einer netten Widmung. Ich erhielt also alle drei Monate ein Paket mit DDR-SF, dafür suchte ich nach seinen manchmal anstrengenden Suchlisten West-SF zusammen, die ich ihm schickte. Sein Lesegeschmack war erratisch, aber nach vielen Gesprächen mit DDR-Fans vermute ich einfach, dass er eine Menge Leute um sich herum mitversorgt hat, wenn er aus dem Westen ein Paket bekam. Von daher ist sein Lesehunger im Nachhinein nachvollziehbar.
Seine Bücher waren nett, aber nicht mitreißend. Es brauchte bei mir viele Jahre mehr Zeit, bis ich einzelne Autoren der DDR-SF würdigen konnte. Aber ein Rasch steht noch hinter mir im Regal, als Erinnerung.
Neben dem Austausch von Wunschlisten entwickelte sich ein netter Briefkontakt. Der wurde zu einer Art SF-Onkel im Osten. Natürlich konnten wir wenig über Politik austauschen, aber ich erfuhr etwas über sein Leben, über seine Familie, über die Arbeit als Schriftsteller – und erntete dafür Lebensberatung, lustige Schwänke aus dem Osten und Briefe auf unfassbar schlechtem Briefpapier.
Nach dem Fall der Mauer begannen für ihn Jahre der Sinnkrise und schriftstellerischen Bedeutungslosigkeit. Unser Kontakt brach ab – sicher auch, weil unsere Leben sich total auseinanderentwickelten. Viele Jahre später erzählte man mir "hinter vorgehaltener Hand", Rasch hätte für die Staatssicherheit gearbeitet und über Westkontakte Berichte abgeliefert. Ich forderte meine Stasi-Unterlagen an: Nichts. Soviel Ehrenrettung bin ich meinem alten Brieffreund mindestens schuldig, der im Januar mit fast 89 Jahren verstarb.