Die Geschichte Schlaraffias für die Loge

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»Schlaraffia« als Begriff ist viel älter als der Verein. Der spätere Schlaraffe Kalisch hatte in seinem »Buch der Narrheit« das Reich »Schlaraffia« schon erwähnt – 14 Jahre vor der Gründung. Und dort – wie heute – lag die »Schlaraffia« damals neben Utopia, Narragonien und Eldorado.
Als es dann endlich zur Gründung kam, konnte nur eine Stadt der Welt als Ort dienen – Prag, die »Stadt mit dem heimlichen Herzschlag«, wenn man Gustav Meyrink folgen mag. In Prag entstand »Schlaraffia« – und egal, was die Gründer geplant hatten, eine »Schlaraffia« wie heute stand ihnen nicht vor Augen, als sie ihr Werk begannen.
Als der Wagner-Sänger Eilers von der »Arcadia« als »Proletarier« abgelehnt wurde, gründete man einige Straßen später den »Proletarier-Club«, der sich in den nächsten Jahren zur »Schlaraffia« wandelte. Man wandelte sich in einen Ritterclub, der sich eine eigene Zeitrechnung gab, die im Gründungsjahr 1859 mit 1559 begann. Das Mittelalter hatte gefühlt dort mit dem Tode Maximilian des II. 1519 gerade geendet, wo die »Schlaraffia« anschloss.
Schnell einigte man sich auf einige Grundregeln – so die Verehrung des Uhu, als eben nicht-weisem Cousin der Eule, die schlaraffische Begrüßung »Lulu« und einige andere Spezialwörter, die zum Teil aus dem lateinischen, zum Teil aus dem jiddischen und dem tschechen-deutschen Einzug in das sogenannte Schlaraffenlatein nahmen.

Drei Dinge mussten zusammenkommen, um hier das zu erschaffen, was später zur »Schlaraffia« wurde. Erstens brauchte man Künstler mit hoher Bühnenpräsenz, charismatischer Ausstrahlung und Falstaff’schem Humor.
Zweitens musste man einen Traum haben – hier war es der Traum von einem ritterlichen Mittelalter der Romantik.
Drittens musste man erkennen, welche wichtige Rolle das Band der Freundschaft in einem solchen Bund zu spielen hätte.

Durch die hohe Reisetätigkeit der Künstler verbreitete sich die Idee der »Schlaraffia« über die deutschsprachige Welt. Die zweite schlaraffische Generation hatte es in gewisser Weise leichter als die erste, sie brauchte das Geschaffene nur weiterzuführen und auszubauen.
Schon 1895 wurde die »Allschlaraffia« als international tätiger Verein amtlich anerkannt. 1898 wurde die Zeitrechnung des Abziehens von 300 Jahren durch die bis heute gebräuchliche schlaraffische Zeitrechnung »anno Uhui« ersetzt.
1888 bestanden bereits 93 Reyche, nach stürmischer Aufwärtsentwicklung waren es 1914 fast doppelt so viele, nämlich 179. Selbst in den vier folgenden Kriegsjahren kamen noch 19 Reyche hinzu. Diese Entwicklung brach allerdings 1918 ab.
Zusätzlich zur Gründung neuer Reyche kam es im Ersten Weltkrieg in den Frontgebieten und sogar in Gefangenenlagern zu schlaraffischen Zusammenschlüssen in Form von Uhunestern, Feldlagern, Kolonien und Kriegsreychen. Alle lösten sich am Ende des Krieges wieder auf.
Trotzdem wurde im Ersten Weltkrieg die internationale schlaraffische Gemeinschaft zerrissen. Schlaraffen standen auf beiden Seiten und mussten gegeneinander kämpfen. Ausländische Reyche in den Niederlanden, England, Frankreich und Südtirol lösten sich auf. Die schwerste Zeit kam aber im Dritten Reich, als die deutschen Schlaraffenreyche sich unter dem Druck der Nazis von der Allmutter »Praga« trennten und Arierparagraphen und Führer-Grundsatz annahmen, sich also gleichschalten ließen. Trotz dieser sehr bedenklichen, weil viel zu weit gehenden Zugeständnisse, wurde die deutsche »Schlaraffia« 1937 verboten und musste sich auflösen. In der dadurch eingetretenen, sogenannten Uhu-finsteren Zeit in Deutschland konnten Schlaraffen sich nur noch nichtöffentlich versammeln.

Nach dem Ende des Krieges konnten die Reyche in den westlichen Ländern sich wieder neu gründen. Es war gelungen, das schlaraffische Archiv in die Schweiz zu retten, von wo aus man in den folgenden Jahren den Weltbund Schlaraffia neu organisierte – unter Einschluss von Reychen in Nord- und Südamerika, Südafrika und sogar Asien.
In Ostdeutschland, der späteren DDR, dauerte die Uhu-finstere Zeit an. Man kam weiter privat zusammen, was von staatlicher Seite geduldet wurde; als Verein wäre die »Schlaraffia« aber nicht zugelassen worden.

1949 sind es bereits wieder 74 Reyche, die Gesandte zur Tagung auf die Wachenburg bei Weinheim entsenden. Unter Vorsitz von drei Rittern, von denen einer als ehemaliges Mitglied dort die Hohe Praga vertrat, ging es unter anderem um die Schaffung des Schlaraffenrechtes und die Wahrung des Schlaraffentums.
Ein Jahr später fand der I. Deutsche Schlaraffentag in Mainz statt, auf dem ein »Landesverband Schlaraffia in Deutschland e.V.« gegründet wurde. Erst 1957 konstituierte sich der »Verband Allschlaraffia» und zur 100-Jahrfeier »Schlaraffias«1959 kam es zur Gründung »Allschlaraffias« mit Sitz in Bern.

1989 geschah das, was keiner mehr zu glauben gewagt hatte: Der eiserne Vorhang fiel und damit hob sich die Uhu-Finsternis von Osteuropa. Der schlaraffische Gedanke, das schlaraffische Spiel nahmen wieder Einzug in für das Uhuversum für immer verloren geglaubten Gebieten. Alte Reyche erstanden wieder, neue Reyche wurden gegründet. Die hohe »Praga« selbst jedoch, die jahrzehntelang als »derzeit nicht bestehend« geführt worden war, galt nun als »erloschen«. Die Realität hatte den Traum eingeholt.

Die Schlaraffen schafften es auch, endlich auf allen Kontinenten (außer der von unschlaraffischen Pinguinen bewohnten Antarktis) Reiche zu gründen – mit der »Pertha Australica« war das letzte Neuland erobert worden, das auf der Erde dem Schlaraffentum noch offen stand. Die Zukunft wird zeigen, ob Reyche wie »Schlaraffia Orbitalis« oder »Luna Obscura« der »Schlaraffia« beitreten werden.

Es lässt sich nicht leugnen: Die technische Entwicklung geht nicht am Uhuversum vorbei. Das Uhunetz, die elektronische Erfassung der Schlaraffen, die schnelle Kommunikation – all das wird auf kurz oder lang das Gesicht der »Schlaraffia« verändern.

Doch wir haben Grund, hoffnungsvoll und vertrauensvoll in die gemeinsame schlaraffische Zukunft zu blicken. Die »Ravensbergia« als Vereinigung der Schlaraffen in und um Bielefeld herum – unter Einschluss des profanen Herfords, wie man vor über 50 Jahren beschlossen hat – steht es in der ersten Reihe der Reyche der Gegenwart, die sich der Herausforderung stellen, neue Mitglieder zu suchen, damit der nun über 150 Jahre alte Freundschaftsbund in seinem Bestand gesichert werde. Möge »Schlaraffia« auch fortan wachsen, blühen und gedeihen!

Lulu!