Donjon: Das Herz einer Ente

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»Vier schwarze Türme, deren höchster von zehn Tagesmärschen Entfernung aus zu sehen ist … Eine versteckte Eisentür inmitten der stinkenden Sümpfe … Endlose, mit Moos und Salpeter bedeckte Gänge … Leitern, Lastenaufzüge, Treppen bis ins Innere der Erde … Das ist der Donjon.«

Die so beschriebene riesige Burganlage ist nicht nur vom Namen her eine Parodie auf die Dungeons der Rollenspiele – dies merkt man nicht nur durch das Einstreuen von Hinweisen auf Personen wie Grimmzahn und andere, Abenteuergruppen irren durch eine fremdartige Architektur, in der es vor Monstern und Monstrositäten nur so wimmelt. Der »Mirakelhof« umfasst u.a. Chthonier, Orks, Trolle, Broos, Rotzlinge, Vampire, Mörderzwerge, Gorgonen, Werwölfe, Bad Fellows, Maschromms (die auch wie Pilze aussehen), Endloswürmer, »Drachen, alt wie die Zeit« und »Genug Skelette und Geister, um bis zum Jüngsten Tage mit Knöchelchen zu würfeln.«
Im ersten Band wird der Donjon durch böse Monster bedroht. Der Herr der Anlage sucht einen Helden – und findet ihn in Abakar Oktopuss, Prinz ohne Fürstentum, der mit seiner Sandale Königsgräber aufwühlt.
Leider stirbt besagter Abakar, während der Entenbote ihm die Nachricht von seiner Berufung überbringt. Was bleibt, wenn Scheitern den Tod bedeutet? Man streift sich schnell die Klamotten des Toten über und gibt sich selbst als Held aus. Ärgerlich ist nur, dass man mit einem Schwert bestraft ist, dass nur gezogen werden kann, wenn man mit bloßen Händen drei Heldentaten begangen hat (»Ich bin der Schicksalsgürtel, Begleiter der störrischen Scheide.«). Und ablegen kann man es auch nicht ... Wenig hilfreich ist auch, dass man noch das Herz entnommen bekommt, damit man loyal ist.
Ich will jetzt nicht die Handlung wiedergeben. Aber die Bedrohung des Donjon wird zurückgeschlagen – und wir erfahren auch, wie unser Held in Wirklichkeit heißt: Herbert, Herzog von Vaucanson.
Im zweiten Band muss Herbert wohl oder übel lernen, wie man zum »König der Krieger« wird. Nun, durch seine »störrische Scheide « gehemmt, bleibt ihm nicht viel mehr an Waffen als eine Feder (davon hat eine Ente immer mehr als genug dabei) und ein Stock. Bedroht von Wesen wie der dicken Sonja oder dem Green Man und Waffen wie der Doppelklingen-Peitsche der Kalaripayatmeister ist das natürlich nicht unbedingt eine Siegesgarantie. Aber Herbert meistert alle Gefahren (irre wie normale) und wird »König der Krieger« – und bekommt noch eine kostenlose Lektion zum Thema »Heirat«!
Der dritte Band bleibt in der Tradition der humorvollen Parodie. »Die Prinzessin der Barbaren« ist eigentlich ein Werbegag für das Donjon. Man erhofft sich mehr (reiche) Gäste (lies: Opfer), wenn man eine Prinzessin per Brief um Hilfe bitten lässt. Ärgerlicherweise verwendet Herbert nicht einen erfundenen Namen, sondern greift auf eine Jugendliebe zurück. Die ganze Handlung wird dann entsetzlich kompliziert samt anrückender Verwandtschaft und einer überhaupt nicht im Donjon gefangenen Prinzessin, die jetzt von jedem dort gesucht wird.
Inhaltlich ist er von den drei Bänden der schwächste. Eine Menge Ideen (das magische Schwert samt Scheide, Herberts Persönlichkeit) sind schon bekannt und werden zwar konsequent weiter benutzt, aber nicht ausgebaut. Humor ist etwas, das man immer wieder neu bieten muss, sonst wird es schal.
Ein Pluspunkt bleibt aber: Durch die Suche nach der Prinzessin findet ein großer Teil der Handlung im Donjon statt. Und dadurch lernt man etwas über die geheimen Keller, die Trolle und zerstörte Brücken in den Dungeons des Donjons.

Ärgerlich wird es dann ein wenig mit der weiteren Entwicklung der Serie. Unter den Stichworten »Morgengrauen« und »Abenddämmerung « werden um die »Zenit« genannte Trilogie (s.o.) Vor- und Nachgeschichte geschildert. In »Das Hemd der Nacht« wird die Vorgeschichte erzählt. Durch die Anwerbung eines neuen Zeichners ändert sich der vorher sehr klare Stil hin zu einer mich nicht so ansprechenden Zeichenart. Immer noch ist die Handlung voll von Klischees – alleine die Entstehung des Rächers »Hemd der Nacht« und der Konflikt zwischen (edler) Land- und (mieser) Stadtbevölkerung wäre eine eigene Abhandlung wert. Aber es fehlt der humoristische Biss der ersten Bände.
Wesentlich besser als »Das Hemd der Nacht« ist der zur »Abenddämmerung« gehörende Band »Der Drachenfriedhof«. Herbert die Ente, ist zum dunklen Herrscher des Donjon aufgestiegen. Sein Freund Marvin, der sich nun der Staubkönig nennt, ist inzwischen blind und ein Eremit. Für eine letzte Reise macht er sich auf, um zum mysteriösen Drachenfriedhof zu gelangen. Begleitet wird er von Marvin, einem roten Hasen (seine Farbe macht ihn zur Missgeburt unter den friedfertigen Hasen, wahrscheinlich ist er deswegen zum Kämpfer geworden), und einer Fledermaus, die dem Blinden als Augen dient. Die Geschichte ist fast schon surreal. Verfolgt von Verfolgern, die wiederum von Verfolgern verfolgt werden, die alle scharf darauf sind, den Ort des mysteriösen Drachenfriedhofes zu finden ... Und die Geschichte besitzt Parallelen zu einer mystischen Queste. Marvin muss herausfinden, wer er eigentlich ist – Hase oder Held. Der Staubkönig muss seine letzte Ruhe finden und Herbert, die Ente, muss sich entscheiden, wie sie mit dem alten Freund umgeht.
Was mir in den ersten Bänden immer gefallen hat, ist hier auch vorhanden: der bissige Humor. Doch dem Thema der »Abenddämmerung « angemessen ist die Handlung dunkler und trauriger als in den ersten Bänden.
Im neusten Band der Serie, »Der Vulkan von Vaucanson«, wird es dann wieder kompliziert in Bezug auf die Handlung. Der Staubkönig ist nicht tot, Marvin (der rote Hase) ist immer noch ein Held und jetzt kommt es zu einer erneuten Konfrontation zwischen Marvin & Marvin (Staubkönig und Hase) auf der einen Seite und Herbert (der Ente) mit seinen Gefolgsleuten auf der anderen Seite. Eher nebensächlich erfährt man von dem großen Ereignis, das Marvin und Herbert entfremdet zu haben scheint. Herbert schildert seine Erlebnisse folgendermaßen: »Ich habe mühselig sieben Elemente des Schicksals vereint. Das war mein Lebensziel: Die Welt zu durchwandern, um sieben Artefakte zu finden, deren gemeinsame Kraft mir ermöglicht, die Schwärze der Welt in mir zu bündeln. (...) Denn mit dem Bösen als Verbündeten regiere ich die Welt durch die Kraft des Geistes. Ich habe erreicht, dass sich der Planet nicht mehr dreht und verhinderte so seinen Zerfall.«
Leider ist dieser Umstand in der Handlung des Comics nicht zu erkennen. Herbert wird mehr und mehr zur Klischee-haft agierenden Killerente, während sich Marvin alias der Staubkönig immer mehr und mehr zu einem mystischen Helden wandelt, dessen Motivation völlig um Unklaren bleibt. Auch hat sich der Zeichenstil seit den ersten Bänden nicht wirklich verbessert; die Figuren werden unklarer, die Charakterisierungen der Figuren weniger unterhaltsam (was zwar zur Handlung passt, aber den Stil der Serie bricht).

Fazit: Obwohl die Handlung immer wieder Durchhänger hat, kann ich die Original-Trilogie allen Freunden des Fantasy-Comics, die eine Prise Humor besitzen, nur wärmstens empfehlen. Wem es gefällt, der soll sich dann die anderen Bände auch noch holen – es gibt sicherlich schlechtere Möglichkeiten, sein Geld in Comics anzulegen.

ZU DEN AUTOREN
Joann Sfar, Jahrgang 1971, studierte Philosphie, Malerei und Morphologie. Er hat neben »Donjon« zusammen mit Pierre Dubois eine Albenreihe namens »Petrus Barbygere« erschaffen. Die mit Jose Luis Munuera geschaffenen Serien »Die Potamoks« und »Merlin« erscheinen beide auf Deutsch bei Carlsen.
Lewis Trondheim (»eigentlich %§-§!@&$*p, aber‚ wenn man seine ganze Kindheit hindurch Opfer blöder Wortspiele wird, legt man sich irgendwann ein Pseudonym zu«) ist Jahrgang 1964. »Als Nachnamen wollte ich einen Städtenamen, aber Lewis Bordeaux oder Lewis Toulouse klang nicht so gut. Da fiel mir diese Stadt ein, Trondheim ... Vielleicht veröffentliche ich irgendwann ein Album unter meinem richtigen Namen, um unerkannt zu bleiben.« Auf deutsch erschienen von ihm »Herrn Hases haarsträubende Abenteuer«, »Monströse Geschichten«, »Monströser Truthahn«, »Hallo, kleiner Weihnachtsmann« (alle Carlsen) sowie »Die Fliege« und »Approximate Continuum Comics« (beide Reprodukt).

Das Herz einer Ente (Band 1) Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Jana Villim L: Michael Möller Carlsen 1999
Der König der Krieger (Band 2) Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Tanja Krämling L: Michael Möller Carlsen 2000
Die Prinzessin der Barbaren (Band 3) Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Tanja Krämling L: Michael Möller Carlsen 2000
»Das Hemd der Nacht« (Band 99) Christophe Blain, Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Tanja Krämling L: Michael Möller Carlsen 2001
»Der Drachenfriedhof« (Band 101)Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Tanja Krämling L: Michael Möller Carlsen 2001
»Der Vulkan von Vaucanson« (Bd.102) Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Tanja Krämling L: Michael Möller Carlsen 2002