Merlins Erben

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Dresdner Buchverlag, 2011
524 Seiten, HC

GUTER STIL, OBERFLÄCHLICH
Ein Zitat aus "Harry Potter" zur Einführung, ein Weltenwechsel auf den ersten vier, fünf Seiten – man befindet sich mitten in etwas, das man Neudeutsch wohl "Urban Fantasy" nennen müsste.
Die Handlung findet anfangs im Hier und Jetzt statt, wie man auf den ersten Seiten erfährt: "Ein Zauberlehrling und ein kleiner Halbling lockten gerade Millionen Menschen in die Kinos(…)." (S. 17 f.). Danach kommt es dann immer wieder zu Reisen in die Anderswelten.
Bald kommt man in einen keltisch-nordischen "Mythen-Mix", in dem Merlins Erbe (nicht umsonst ist "Merlins Erben" der Titel des Buches) und nordische Figuren (wie "Wolf Fenris" [S. 26] oder Thor) ineinander fließen. Bei Wolf Fenris ist Spott noch ein guter Name eingefallen, bei Frau Deinsty fragte ich mich beim Lesen immer, ob sie nicht "Destiny" (Schicksal) heißen sollte. Wer weiß?
Auf den ersten 50 Seiten beginnt dann die Charakterisierung der Anderswelt, die – Verzeihung – gut beschrieben, aber wenig innovativ ist: "Duron hatte den Ältestenrat einberufen, denn es waren Dinge geschehen, über die sie reden mussten." (S. 51) Oder später: "Mein Volk hatte sich in ganz Europa angesiedelt, doch neue Völker und Religionen entstanden und neue Gebiete wurden beansprucht. Wir zogen uns zurück vor den Legionen aus Rom (…), aber es kamen weitere Völker (…). Eine neue Religion breitete sich aus in Europa, der sich viele anschlossen. (…) Viele Druiden übernahmen die neue Religion, vermengten sie mit unseren Bräuchen, um in Ruhe weiterleben zu können." (S. 88 f.) Die alten Plätze sind magisch und stark, das (böse?) Christentum hat sie überbaut, aber nicht besiegt: "Die Anhänger des Christus haben den Felsen übernommen und ein Haus für ihren Gott darauf gebaut (…). In der Nacht zu imbolc [sic] öffnet sich der Übergang an der Stelle, wo zuerst das keltische Bauwerk stand." (S. 401)
Die Handlung ist gut zu lesen, ihre Charakterisierungen sind gut, aber der Hintergrund ist manchmal so ein wenig zu viel "80er", ein wenig zu viel Bradley, zu wenig Powers oder Gaiman. Prinzipiell gilt: Guter Stil, oberflächliche Handlung.
Achja: Spotts Stil ist gut, außer (!) bei Liebes- und Sexszenen. Da wird es so, wie ich mir einen "Gaslicht"-Roman vorstelle: "Unsere Körper verschmolzen erneut, reduzierten sich auf Fühlen und Empfinden, ließen alles vergessen, Zeit, Raum, wer ich war, und auch wer er war." (S. 134)
Oder: "Der Umhang glitt zu Boden, wo er wie eine Decke liegen blieb, bereit, uns aufzunehmen. Meine Beine hatten inzwischen nachgegeben, ich fiel auf die Knie und obwohl eine Stimme in meinem Kopf verzweifelt schrie, gab sich mein Körper bereitwillig den fordernden Händen preis, öffnete sich dem wilden Ansturm und nahm seiner Bestimmung gemäß den anderen in sich auf." (S. 251)
Oder: "Wir drängten uns aneinander und ein Kleidungsstück nach dem anderen landete auf dem Boden, bis wir auch dort lagen. Ich spüre ihn überall auf und in meinem Körper, roch ihn, schmeckte ihn, sog ihn auf, Grenzen verwischten sich, verschwammen, wir wurden eins und schließlich driftete ich ins rauschhafte Dunkel." Dieses "überall auf und in meinem Körper" umfasst dann sowohl Anal- als auch Nasalsex, wie man vermuten darf.
Gut zu lesen, aber in meinem Regal wird es nicht verbleiben – aber ich bin wohl nicht die Zielgruppe. Rein klischeehaft würde ich sagen: Frau, Anfang 30, ohne "Die Nebel von Avalon"-Leseerfahrung. Da bin ich raus aus dem Muster.