Wir waren gemeinsam auf dem Mars

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Harald Zubrod, 01.03.1956 bis 12.03.2024

Wir waren gemeinsam auf dem Mars. Der Drachenorden hat uns beauftragt, ebenso die Krone von Clanthon. Wir kämpften gemeinsam gegen die großen Alten und zeitreisende Nazis.
Superheldencomics, "Raumpatrouille Orion", "Babylon 5", "Raumschiff Enterprise" und "Perry Rhodan" waren die Hintergründe, auf denen wir uns immer wieder Ideen zugeworfen haben. Meinen langen Artikel über "Raumpatrouille" habe ich auch dir gewidmet – für viele Stunden bei Pizza und Tee, die wir mit Diskussionen zugebracht haben.
Wir diskutierten über Magie im Zeitalter Napoleons. In den 60er Jahren waren wir Agenten und um die Jahrhundertwende betrieben wir ein Steampunk-Institut zum Kampf gegen das Böse.

42 Jahre lang waren wir in derselben Rollenspielgruppe. Anfangs tranken wir nur auf den verstorbenen Jo, dann auch auf den verstorbenen Bello. Jetzt lässt du mich zurück, um auf alle drei zu trinken.
Irgendwie ging ich stillschweigend davon aus, dass ich vor dir gehe. Du hast Tai Chi gemacht, gesund gelebt, ich rauche, trinke, bin eigentlich schwer krank. Aber das Schicksal ist eine Hure.

Über 20 Jahre lang habe ich dich jeden Morgen auf der Arbeit angerufen. 06151/184885. Zwei Minuten, drei Minuten, nicht mehr. Oftmals nur ein paar nette Worte und ein "bis morgen" am Ende.
An jedem Geburtstag – wir haben am selben Tag – riefen wir uns an und schrien beide "Alles Gute zum Geburtstag" und "Erster".
Du hast immer gerne erzählt, dass du in den 40 Jahren deiner Arbeit nie den Arbeitsplatz gewechselt hast, aber die Firma drei Mal den Namen und fünf Mal das Logo geändert hat. Nach deinem Vorruhestand haben wir dann nur noch wöchentlich oder zweiwöchentlich telefoniert. Oft hast du nachts online gespielt und warst morgens sehr wortkarg – okay, warst du morgens eigentlich immer, auch im Büro.

Vor vielen Jahren auf dem Drachenschifftörn hast du in einem Hafen in Holland zwei junge Damen angegraben. "Das ist mein Freund Hermann", sagtest Du. "Wir haben am selben Tag Geburtstag – nur bei der Jahreszahl sind die letzten beiden Ziffern vertauscht." Ich sagte: "Ja, das stimmt. Ich bin Jahrgang 64." Dann bin ich losgerannt, du mir nach, um mich zu knuffen.

Wenn wir in den letzten Jahren in Bickenbach rollengespielt haben, hast du mich an der Endstation der Elle – der elektrischen Straßenbahn – abgeholt. Während Corona trugen alle an der Endstation eine Maske, nur du trugst eine rote Clownsnase.

Als ich dich kennenlernte, hast du im Elternhaus unter dem Dach gewohnt. Dann bist du in das Erdgeschoss gezogen. Als deine Mutter krank wurde, habt ihr Stockwerke getauscht und du bist in den ersten Stock gezogen. Wir haben in jedem Stockwerk irgendwann gespielt – bis runter zum Disco-Keller und bei 35 Grad raus in den Garten.
Du sprachst hessisch, wie man es wohl nur in Bickenbach lernen und sprechen kann. Oftmals musste ich nachfragen, was du mir mitteilen willst. Keine harten Konsonanten, und das wurde noch schlimmer, wenn du mit deinem Vater ("Karl!") sprachst. Jener hatte eine besondere Vorliebe zu Volksmusik – und umso älter er wurde, desto lauter wurde die Musik. Ein lautes "Karl!" sorgte dann dafür, dass die Musik leiser wurde.

Die FOLLOW-Gruppe Bickenbach war mal mit die größte in FOLLOW. Stefan Fehres ist dir Jahre vorausgegangen.

Deine Mutter ist vor über 30 Jahren gestorben, wenn ich mich recht erinnere. Kürzlich ist dein Vater gestorben, er wurde über 90. Du hast angefangen, seine Sachen aufzuräumen und hattest Pläne für den Umbau des Hauses. Als wir das letzte Mal bei dir gespielt haben, hingen an den Wänden überall Baupläne und Skizzen. Es gibt außer den Wohnungen, die ich selbst bewohnt habe, keinen Ort, wo ich mehr Wochenenden zugebracht habe, als deine Wohnung. Über 100 Stück, keine Ahnung, wie viele.

Am 16./17. Februar hatten wir noch bei dir im Haus unsere Rollenspiel-Runde. Da haben wir uns das letzte Mal gesehen. Am 01. März hatten wir zwei Geburtstag. Da haben wir zwei das letzte Mal gesprochen. Am 07. März hast Du noch per E-Mail die Beteiligung für den nächsten Rollenspiel-Termin abgefragt. Da haben wir zum letzten Mal gemailt.
Fünf Tage später bist du tot.

Wenn ich hätte einen größeren Bruder wählen können, dann wäre meine Wahl auf dich gefallen.
Ich vermisse dich. Und das Gefühl wird noch eine Weile da sein.

Pass auf die Würfelbecher auf. Und ich bin mal gespannt, was für Abenteuer du dir mit Jo und Bello ausdenkst – wo immer du auch bist.
Ich kann dir nur danken für die Abenteuer, die wir hatten.

Dein Freund Hermann